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Autor: GeorgS
 Verfasst am: 06.05.2006, 22:35 Betreff: Plattenmaterial: Materialbedingte Schw?chen nach Valentin
Hallo,

ich habe am letzten Wochenende das außerordentliche Vergnügen gehabt, den Film "Im Schallplattenladen" von Karl Valentin wieder mal zu sehen.
Abgesehen vom einem Herrn "Rembremmading" spielt die Zerbrechlichkeit der Schellackplatten eine tragende Rolle in dem Werk. Interessanterweise bezeichnet die Verkäuferin (Lisl Karlstadt) die Platten als "Wachsplatten"!

Nun aber meine eigentliche Frage:
Lisl Karlstadt zeigt dem Käufer auch eine richtig biegsame Platte, die sah etwa so aus wie die Folien-Singles, die es in den 50er/60ern gab, und rollt die auf. Ist das Valentin-Fantasie, oder gab es so etwas in den 30ern?


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Georg


Autor: mike jordan Verfasst am: 06.05.2006, 23:03 Betreff:
hallo georg,

gib das mal in den Browser ein:

http://polymatfree.polybase.com/default.aspx?tabid=418&query=1%7C1%7CProductID%7C1022537

das wird's gewesen sein. DECELITH. Selbstschneide-Folien.



gruss mike


Autor: Nils Verfasst am: 07.05.2006, 06:37 Betreff:
Hallo Georg,

ja, es gab zwischen 1928 - 1932 tatsächlich solche flexible Schallplatten von der Firma Phonycord, Berlin. Sie waren aus leuchtend buntem Material in Rot, Grün und Blau und alle durchsichtig.

Dieses " Platten " sind/waren aber recht empfindlich gegenüber der normalen Grammophonnadel, deswegen sollte man sie mit einer speziellen " Winkelnadel" spielen. ( Wie auch die Selbstaufnahme Decelith-Folien )
Mehr zur Winkelnadel dr?cke hier > WINKELNADEL

Es l?st meistens Erstaunen aus, daß solche bonbonbunten, biegsamen Platten bereits um 1930 in Deutschland hergestellt und verkauft wurden. Hier noch ein Bild einer " Phonycord Flexible " in Grün. Man sieht deutlich die Durchsichtigkeit des Materials.



Autor: MGW51 Verfasst am: 07.05.2006, 12:36 Betreff:
Der vorangehende Beitrag hat mich angeregt, mal nach meiner Decelith, die seit 18 Monaten unter einem großen Stapel Schellack gepre?t wird, zu sehen. Habe sie also ausgegraben, in der kleinen Hoffnung daß ich sie inzwischen auch mal abspielen kann. Naja, typischer Fall von Denkste! Wenngleich die Welligkeit anscheinend - Wunschdenken? - etwas zurückgegangen ist werde ich diese Scheibe nie auf einem modernen Plattendreher zum abspielen kriegen.

Also kurzerhand das Grammophon aufgeladen und meine leichteste Glimmerdose mit einer "lauten" Nadel, weit ausgespannt, bestückt und den KLängen von "Die M?hle im Schwarzwald" bzw. "Die Türkische Scharwache" gelauscht.

Ich war sehr angenehm überrascht Exclamation

Wenngleich die weite Nadelauslage sicher nicht den optimalen Eingriff darstellt, habe ich mich doch zu dieser Variante durchgerungen. Eine fast rauschfreie Wiedergabe war ein sehr angenehmes Erlebnis.

Hier ein Bild meiner einzigen Phonycord *Flexible* Nr. 97 :


Autor: Nils Verfasst am: 07.05.2006, 15:04 Betreff:
Hallo Michael,

ja, die Welligkeit ist heutzutage bei fast allen Decelith und Phonycord Folien/Platten ein Problem.
Die besten Erfahrungen habe ich (auch bei Schellckplatten!) mit einem " naturthermischen " Gl?ttungsverfahren gemacht!

Zwei schwere Glasplatten ( z.B. alte Schutzscheiben aus TV-Geräten etc) und dazwischen den Presskandidat. Dann einfach 2-3 Stunden ab in die Sonne ! Etwas länger schadet wohl nicht, nur darf das Material natürlich nicht schmelzen ! Laughing

Wichtig ist das ganz langsame Abk?hlen!
Also am besten auf den Abend warten, wenn die Glasplatten nur noch die normale Umgebungstemperatur haben.
Das sehr langsame Abk?hlen ist wichtig, weil sonst die Platten nach anfänglichem Erfolg nach 1-2 Tagen wieder Wellenform annehmen.

Mit der Glasplatten-Methode hatte ich nie wieder ein Problem mit welligen Schallplatten.

Im Winter geht auch die Heizung (müßig beheizt, vielleicht gut 60 Grad), auch wieder für ca. 4 Stunden, dann Heizung einfach auf Null drehen und erst nach völligem Erkalten der Heizung das Resultat begutachten.


Viele Grüße, Nils


Autor: Nils Verfasst am: 07.05.2006, 17:13 Betreff:
Hallo Michael,

noch ein Nachtrag zu Deinem Foto:

Deine schöne rote Scheibe ist natürlich eine Phonycord Flexible !
NICHT etwa eine Decelith-Platte ! Das waren ausschließlich Kunststoffscheiben für SelbstschneideGeräte.

Ganz im Gegensatz zu den Phonycordscheiben gab es keine fertigen, kommerziellen Aufnahmen auf den Decelithplatten zu kaufen. Sie gab es nur als Rohlinge für SelbstschneideGeräte.

Auf Phonycord erschienen hauptsächlich Artiphon-Aufnahmen (übernahmen) und ein paar wenige englische Matritzen. Also das ganz normale, kommerzielle Programm. Weil das schellack-bedingte Rauschen/Prasseln bei den Phonycord materialtechnisch wegfällt, spielen sie bei guter Erhaltung recht Nebenger?uschfrei !

Aber sie nutzen sich auf dem Grammophon schneller ab als Schellackplatten und man sollte Ihnen wenn möglich das Grammophon ersparen.


Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 07.05.2006, 19:30 Betreff:
Ja, das ist einfach wunderbar, was ich in den paar Wochen schon alles von Dir lernen durfte Exclamation

Dann ist das alles keine Decelithfolie - was dann für ein Zeug?

Aber eigentlich auch egal Very Happy

Das mit den Glasplatten werde ich dieser Tage gleich mal probieren!

Ist es eigentlich normal, daß das Mittelloch etwas kleiner als das der Schellacks ist? Zumindest bekomme ich die Folie nur sehr stramm auf die Motorwelle und ebenso schwer wieder runter. Beim Plattenspieler dagegen flutscht sie drauf.


Autor: Nils Verfasst am: 07.05.2006, 19:49 Betreff:
Hallo Michael,

soweit ich es ungenau weiß, bestehen die Decelith-Platten aus "Acetat" - was immer das auch chemisch genau ist. Das weiß ich aber nicht genau und muß mal sehen, wo ich das nachlesen kann.

Vielleicht weiß es auch jemand ?

Die Verengung des Lochs halte ich für eine Alterung. (oder ungenaue Stanzung) Offiziell gab es zu der Zeit schon (wie eigentlich von Anfang an) keine abweichenden LochGrößen...



Gruß, Nils


Autor: GeorgS
 Verfasst am: 07.05.2006, 23:36 Betreff:
Hallo Michael und Nils,

wie schon der Link von Mike zeigt, ist Decelith ein Warenzeichen von Eilenburger Compound, es ist PVC, vermutlich ein nur ganz wenig weichgemachtes PVC.
Die Methode mit den Glasplatten habe ich schon mit bestem Erfolg bei Hartgummiplatten von Influenzmaschinen angewandt.
Wenn die Sonne nicht scheint, geht das auch bei 50? C Umuft im Backofen.
"Acetat" wurde manchmal kurz zu Cellulosetriacetat gesagt, das ist das Material, was als "Sicherheitsfilm" in den 30ern den leichtentflammbaren Celluloidfilm ablöste. Als Cellon wurde es auch als Holzlack, für Klebstoffe und und als "Astralon" für Zeichengeräte und Zeichenfolien verwendet. Es ist durchaus denkbar, daß es solche Selbstschneidefolien auch aus Cellulosetriacetat gab.



Gruß
Georg


Autor: Christian Verfasst am: 21.09.2006, 20:50 Betreff:
Weiss jemand was es sich mit den "Hit of the Week" Schallplatten auf sich hat?

Ich darf eines dieser Exemplare mein eigen nenen und ich wunder mich immer über die Biegsamkeit. Aber Rauschen können die wie Schellacks.



Viele Grüße Christian


Autor: Nils Verfasst am: 21.09.2006, 21:09 Betreff:
Hallo Christian,

diese " Hit of the Week " waren meines Wissens beschichtete Papp-Platten. Beschichtung meist in der typisch braunen Farbe wie auch Tonbänder. Diese Platten gab es in England, sie waren sehr billig und hatten einen originellen Verkaufsweg: es gab sie zusammen mit Zeitschriften am Kiosk etc zu kaufen.

Halt jede Woche zusammen mit Illustrierten etc - " Hit of the week " eben !

Sie nutzen sich sehr schnell ab (viel schneller als Schellackplatten) , aber sie waren eigentlich auch nur von Woche zu Woche konzipiert. Gut spielbare Exemplare sind schon selten geworden, hinzukommt Abplatzen / Rissbildung der Beschichtung und Welligkeit durch den Papierkern.

Leider weiß ich nicht mehr, was die Dinger kosteten, aber sie waren sehr billig ! Groschenniveau!

Gruß, Nils



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