Treffpunkt der Interessengemeinschaft Übersicht -> GRAMMOPHON & SCHELLACK
Autor: MGW51 Verfasst am: 20.07.2007, 20:30 Betreff: AMIGA - 60. Geburtstag
Und damit dürfte es das älteste noch existierende deutsche Schallplattenlabel sein.

60 Jahre - das ist in etwa halb so lange wie es überhaupt den Nadelton gibt.

Am 18. März 1947 wurde die "Lied der Zeit" GmbH mit den Labeln ETERNA und AMIGA in das Handelsregister von Charlottenburg eingetragen. MitGründer des Schallplattenverlages war kein Geringerer als der "Deutsche Troubadix" Ernst Busch - dessen unverwechselbare markige Stimme mit dem Liedgut der Deutschen Arbeiterbewegung fest verbunden ist. Nun mag man diese Art Musik mögen oder es bleiben lassen - den Interpreten als solchen mag ich schon und insofern ist der Vergleich mit dem K?mpfs?nger der Gallier tatsächlich etwas daneben; dem rannten ja ob seiner Sangeskraft die eigenen Leute davon Laughing

Die erste offizielle AMIGA erschien im Mai 1947: "Capri-Fischer" Gesang Kurt Reimann.
Zwei Jahre später machte dieser Schlager Rudi Schuricke weltberühmt.

Heute ist es recht still um AMIGA geworden. Die neuen Eigentümer (Sony-BMG) haben anderes vor, als Geburtstagspressungen auf den Markt zu bringen. Nun denn, wenn mal jemand von Euch Flohmarktj?gern das bekannte Rot-weiß Amiga-Label mit den Reimannschen Capri-Fischern entdecken sollte, ich wäre ein dankbarer Abnehmer! Vorausgesetzt die Erhaltung ist überdurchschnittlich - Nadell?cher, graue Rillen und Kratzer brauche ich wirklich nicht Wink

So sollte das Label wohl ausschauen:

Platte aus meinem Bestand, leider ziemlich abgespielt Sad

Oder auch noch im älteren Layout?

Platte aus meinem Bestand.

In diesem Zeitabschnitt gab es vermutl. gerade mal keine Druckerschw?rze und das Papier ist überdies miserabelste G?te. späterhin war dann wieder etwas mehr Farbe im Eimer und das Etikett auch wieder aus Glanzpapier gefertigt - "GmbH" war dann auch nicht mehr zu lesen! Statt BIEM gab es jetzt eine AWA - "Anstalt zur Wahrung der Auff?hrungsrechte auf dem Gebiete der Musik" so habe ich das in Erinnerung. schöner Name Wink


Autor: Nils Verfasst am: 21.07.2007, 10:40 Betreff:
Hallo Michael,

vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit Very Happy

60 Jahre Amiga ist doch schon was ...! Zumal die Vorgeschichte der Firma bis in die 30er Jahre hineinreicht, denn bekanntlich "entstand" Amiga durch die Enteignung von Otto Stahmanns "Tempo-Werke".

Das älteste noch existierende Label ist es allerdings bei weitem nicht. Die Deutsche Grammophon hatte schon 100j?hriges und Odeon und Electrola gibt auch noch bis heute als "Label".

Die "Caprifischer" wurden übrigens bereits 1943 in Berlin mit Rudi Schuricke aufgenommen. Ja, die bekannte Aufnahme, die in den 50er Jahren totgespielt wurde, war eine Originalaufnahme aus d?sterster Kriegszeit. Die Platte war 1943 nur kurz im Verkauf, weil man wegen der politischen Probleme 1943 mit Italien den schwärmerischen Italientext nicht für glücklich hielt.
Ich habe aber eine der raren Pressungen von 1943 im Schrank. Auf dem Etikett " Polydor Meisterklasse".

Aber die Caprifischer wurden erst in den frühen Nachkriegsjahren zum Ohrwurm und so mußte auch Amiga nachlegen...mit der Aufnahme Kurt Reimanns. Bei Amiga finde ich auch die Jonglage der frühen Nachkriegsjahre interessant und spannend...
einerseits der politische Anspruch des MitGründers der Amiga, dem "Barrikaden-Tauber" Ernst Buschs, anderseits die seicht-leichte Muse ...

Also die Caprifischer eintr?chtig auf Amiga vereint mit "Spaniens Himmel breitet seine Sterne".... Very Happy

Viele Grüße, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 21.07.2007, 11:31 Betreff:
Nils schrieb wie folgt:
bekanntlich "entstand" Amiga durch die Enteignung von Otto Stahmanns "Tempo-Werke

Lieber Nils, kann es sein, daß Du da einem Irrtum unterliegst?

AMIGA wurde ja als Label für die "Unterhaltungsmusik" gegründet - parallel zu ETERNA, worunter eigentlich Klassik aufgelegt werden sollte. Also, nach meinem dafürhalten haben diese Marken nichts mit der alten TEMPO zu tun. Etwas anderes ist das wohl mit der "Lied der Zeit" GmbH welche ja auch noch aus der Zeit von vor der DDR stammt, dann 1955 allerdings vom Staat gekauft, zum "VEB Deutsche Schallplatten" umfirmierte.

Ich habe allerdings keine Ahnung, wer die beiden MitbeGründer neben Busch waren bzw. ob und wie die in einer Beziehung zu Stahmann standen. Dieses Jahr werden insgesamt 60 bisher noch nicht auf CD erschienene Alben aus dem AMIGA-Archiv veröffentlicht.

daß GRAMMOPHON, ODEON und ELECTROLA ein ganzes Stück weit älter sind, naja das ist freilich auch mir bekannt - daß diese aber noch aktiv sind, wußte ich nicht.


Nachtrag:
Es gibt, das ist unstrittig, eine Verbindung zwischen AMIGA und TEMPO. Ich meine aber, daß sich das doch etwas anders verhält als von Nils oben geschildert. Ich kann zwar irren, glaube aber doch daß zuerst AMIGA da war und erst später der Stahmannsche Laden zur LdZ-GmbH hinzukam. Wie gesagt, daß ist meine Vermutung die so nicht stimmen muß! Die "Nachtschwärmer" beispielsweise sind eine uralte Grammophnmatritze, Nachpressung von LdZ und mit AMIGA zwar gelabelt, aber die Katalognummer weist schon durch das fehlen der vorangestellten AM auf fremden Ursprung hin - das war dann wohl TEMPO. wäre nun wunderschön, wenn gleiche Nummer als Originalpressung mit TEMPO-Etikettierung hier daneben stehen könnte. Very Happy


Autor: Nils Verfasst am: 21.07.2007, 12:35 Betreff:
Hallo Michael,

doch, doch Very Happy

Stahmann sen. setzte sich noch 1945 nach München ab, Stahmann jun. (der als Lebemann galt) versuchte die Tempo Werke im russisch besetztem Potsdam Babelsberg durch Lohnpressungen über Wasser zu halten, doch verschwand er bald spurlos von der Bildfl?che.

Somit war die einzige Schallplattenfabrik mit Studios Osten weitgehend "herrenlos". Experte Otto schreibt:
Zitat:
1946 wurde das alte Tempowerk verstaatlicht und der "Lied der Zeit GmbH" zugeschlagen. So wurden die ersten Platten der Marke "Amiga" in Babelsberg gepresst ?aber das ist eine andere Geschichte.
Zu erwähnen sind noch einige Wiederveröffentlichungen alter Tempo-Aufnahmen. Nach 1945 erschienen alte Tempo-Matrizen auf der Marke Tempo-Elite, gepresst in München. Auf der Marke Metrophon, Comet, gepresst in West-Berlin. Auf der Marke Union Record, gepresst bei der Firma Pallas in Diepholz bei Hannover und natürlich auf Amiga, gepresst im alten Tempo-Werk.

Ich kann das übrigens durch eigenen Augenschein bestätigen, die Amiga in Babelsberg benutzt noch bis heute den alten Mauereingang der ehemaligen Tempo und auch Teile der Verwaltungsgeb?ude der Amiga sind noch die alten Tempo-Bauten, wie man sie auf den alten PlattenhÖllen der Tempo vor 1945 sieht.

Etliche Platten der Amiga aus den frühen Nachkriegsjahren sind übrigens noch von den im Werk verbliebenen Pressmatrizen der Tempo. Ich kann demnächst bebilderte/Tönende Beispiele nachliefern. Very Happy


Viele Grüße, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 21.07.2007, 12:44 Betreff:
Den gebe ich noch dazu:

Nils schrieb wie folgt:
Spaniens Himmel breitet seine Sterne

So die offizielle Schreibweise dieses Songs. Gesungen, von Ernst Busch, hört es sich aber so an:

Sparrrnnjennn? Himmmerrlll brrreitettt seine Schterrrne..."

Nicht daß ich den guten Ernst damit verunglimpfen will, man muß es einfach selbst mal gehört haben.

Barrikaden-Tauber ist aber sowas von köstlich - das würde ihm bestimmt auch gefallen haben Laughing


Autor: Nils Verfasst am: 21.07.2007, 13:08 Betreff:
Michael, den "Barrikaden-Tauber" d?rte Ernst noch gekannt haben ... Very Happy

Es ist ein Spottbegriff aus einer Pressekolumne der unmittelbaren Vor-Hitlerzeit. Denn Ernst Busch nahm schon in den zwanziger Jahren auf "Homocord" auf, anfang der 30ger Jahre auf "Gloria" (der Billigmarke von Odeon). Aber immer schon waren seine Platten politischen Inhalts.

Zu schön, wenn Du seine Art zu singen beschreibst ! Very Happy Very Happy Very Happy

Es ist mir richtig plastisch im Ohr:

" ...für Schparrnjens Frreeiiiii-heit ! "



Grüße, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 21.07.2007, 13:24 Betreff:
Lieber Nils,

es sind und bleiben etliche Ungereimtheiten. Das alles verwundert natürlich nicht, denn das was in den unmittelbaren Nachkriegsjahren abging, war vielerorten ein Drunter & Drüber welches kaum mehr vollends gekl?rt werden kann.

Reinhard Otto schrieb wie folgt:
1946 wurde das alte Tempowerk verstaatlicht und der "Lied der Zeit GmbH" zugeschlagen. So wurden die ersten Platten der Marke "Amiga" in Babelsberg gepresst...?

Das kann so grundsätzlich nicht stimmen!
    Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet.

    Am 18. März 1947 wurde die Lied der Zeit als GmbH eingetragen.

Der Gründung voraus ging ein Gespräch im Juni 1946 zwischen dem Berliner Militärkommandant Generalmajor Kotikow und Ernst Busch. Busch erhielt den Auftrag, ein Plattenalbum zu besingen was als Geschenk an 500 in Berlin lebende Spanienkämpfer überreicht werden sollte und auch wurde. Jetzt ergibt sich für mich die Frage, unter welchem Label diese Sonderpressungen aufgelegt wurden - AMIGA (eben weil aus dem spanischen kommend) ist wohl nur logisch. Ist es auch sicher? Einleuchtender wäre für mich AMIGO! Und erst im Nachhinein besann man sich darauf, mehr zu machen als eine Eintagsfliege und so wurde AMIGA zum offiziellen Label und startete mit Reimann und dem Anglersong Wink

Wenn die TEMPO schon 46 enteignet wurde, dann ganz sicher nicht von der DDR denn die existierte noch nicht! Das bedeutet zugleich auch, daß es nicht sein kann, daß die TEMPO zu diesem Zeitpunkt verstaatlicht wurde - von wem auch immer! Es ist nämlich absolut ausgeschlossen, daß ein Unternehmen erst verstaatlicht und dann als solches einem privaten Unternehmen eingegliedert wird. Nur der umgekehrte Weg ist einzig gangbar - das war seinerzeit Gesetz, vor der DDR einfaches Besatzungsrecht.

Ich könnte mir vorstellen, daß Stahmann jun. h?chstselbst noch diese Edition abgepreßt hat - was aber nicht belegbar ist.
Ich könnte mir auch vorstellen, daß besagter Stahmann jun. einfach die Kurve gekratzt hatte und das herrenlose Werk nun von der Besatzungsmacht konfisziert wurde. Anschließend kann es durchaus der LdZ übereignet worden sein - was sollten denn auch die Sowjets damit anstellen - allerdings nicht, bevor diese Gesellschaft überhaupt existierte.

Ich könnte mir ebensogut auch vorstellen, daß die TEMPO lediglich zur treuh?nderischen Verwaltung an die LdZ übergeben wurde und erst 1955, als die LdZ mit den Labeln AMIGA und ETERNA vom Staat gekauft wurde, hier eine Verstaatlichung erfolgt ist
Nichts genaues weiß man nicht - vieles ist Vermutung oder Halbwahrheit und nicht weniges ist schlicht erfunden worden. Das will ich generell verstanden wissen - nicht jetzt auf den aktuellen Zusammenhang wie er sich hier darstellt.


Nachtrag am 28.07.2014:
Inzwischen steht fest, daß die ersten Produktionen der o. g. Spanienliederedition unter dem Label "Lied der Zeit" erschienen sind - noch ohne den Zusatz AMIGA! Und hier müssen wir erneut in die Geschichte eintauchen um zu den Urspr?ngen von "Lied der Zeit" zu gelangen. Diese finden sich bereits in den mittleren 30er Jahren als eine Marke, eingetragen auf Ernst Busch, wieder.
Nun bin ich kein Experte für Namensrechte, habe das auch nicht bis ins Letzte recherchiert, meine aber, daß hierin die Ursache dafür zu finden ist, daß nach der Verstaatlichung der LdZ GmbH die Marke "Lied der Zeit" relativ schnell zu Gunsten der neuen Firmierung "VEB Deutsche Schallplatten Berlin" fallengelassen wurde. Busch war ja bei einigen Politokraten in Ungnade gefallen da er sich nicht wunschgemäß unterordnete.

Es stimmt natürlich für sich gesehen, daß die ersten Amiga-Platten im ehem. Stahmannschen Preßwerk gefertigt worden sind, doch es ist nach wie vor eher fraglich, ob das bereits in Babelsberg geschehen konnte denn auch dieses Werk blieb nicht von der Demontage verschont! Ich gehe weiter davon aus, daß die Produktion zuerst in Ehrenfriedersdorf startete, wo man ja auch auf das versteckte Materiallager zugreifen konnte.


Autor: Nils Verfasst am: 21.07.2007, 19:49 Betreff:
Hallo Freunde,

dank des Plattenexperten G?nter große (der die Jahre unmittelbar miterlebte und Fachbuchautor in der DDR) läßt sich nun doch ein großer Teil der Fragen beantworten.

Die Tempowerke hatten mit zunehmenden Luftangriffen im Krieg zwei Plattenpressen in die sächsische Provinz nach Ehrenfriedersdorf ausgelagert, eine kleine Filiale wenn man so will. Als reines Preßwerk. Studios und Verwaltung und Großteil der Presserei verblieb in Potsdam-Babelsberg. Die Tempo mußte erst mit Jahresende 1944 die Produktion einstellen - es war einfach kein Markt mehr vorhanden, der eine Schallplattenfirma am Leben hätte halten können.

1945 setze sich wie erwähnt Firmenchef Otto Stahmann senior mit etlichen Pre?matrizen in Richtung Bayern ab.

Stahmann junior behauptete der russischen Militärregierung gegenüber, er habe das Werk in Babelsberg offiziell gekauft von seinem Vater. Jedoch konnte er keinerlei Beweise oder Verträge vorlegen. Stahmann junior hatte einen denkbar schlechten Ruf. Das Tempowerk wurde von der russischen Militärregierung 1946 beschlagnahmt. Es gelang Stahmann jun. zuvor noch, verbliebenes und verstecktes Pre?material verschwinden zu lassen.

Viele der technischen Einrichtungen der Tempo wurden nun als Reparationsgut nach Rußland geschafft. Das Werk war dadurch weder zu Aufnahmen noch zu Pressungen in der Lage. Die einzigen Plattenpressen auf dem Gebiet der kommenden DDR waren jene kriegsausgelagerten in Ehrenfriedersdorf.

Als S?nger Ernst Busch nun den Auftrag von den Russen bekam, ein Album mit antifaschistischen Platten aufzunehmen, kam es zu der Gründung der "Lied der Zeit" mit den Marken Amiga und Eterna. Alle Amigaplatten wurden bis Ende 1947 in dem kleinen Betrieb in Ehrenfriedersdorf gepresst. Das allerdings unter enormen Pressmaterialmangel.

Es entstanden dort etwa 250.000 Platten insgesamt. (Vergleich: vor dem Kriege verkaufte sich allein die Platte "Der Wind hat mir ein Lied erzählt" mit Zarah Leander 250.000 mal)

1948 konnte das ehemalige Tempowerk wieder notdürftig ausger?stet werden, wurde ein Teil des VEB Lied der Zeit und es konnte eine Verdoppelung der Presszahlen angestrebt werden. Wie lange noch gleichzeitig in Babelsberg und Ehrenfriedersdorf gepresst wurde, konnte ich noch nicht herausbekommen.

Aber nunmehr dürfte schon der wichtige Teil der Unklarheiten zu Tempo/Amiga erhellt sein.

Mit vielen Größen, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 21.07.2007, 20:16 Betreff:
Klasse Nils! Das ist ja mal etwas, wo wieder so ein paar "weiße Flecken" auf der Landkarte der Geschichte Farbe bekommen.

Eines aber ist noch strittig: Den VEB Lied der Zeit gibt es erst seit ehestens 1955; bis dahin war das ein Privatunternehmen.

Sollte also die Jahresangabe 48 korrekt sein, so kann die Babelsberger Tempo nur ein "Geschenk" der Besatzungsmacht an Busch - als Honorarersatz oder wofür auch immer - gewesen sein.

Mit dem Abtransport der noch vorhandenen Produktionsanlagen schossen ja die Russen ein Eigentor - das merkten sie dann auch irgendwann und ließen fortan viel lieber hier produzieren und nur die Waren wurden dann Richtung M?tterchen Rußland verbracht. Jahrzehntelang. So wie es sich nun darstellt, ist der Betrieb tatsächlich entsch?digungslos konfisziert worden. Naja, Sieger haben immer eigene Rechte, die wir aber wirklich nicht hinterfragen müssen.

Das Problem der fehlenden Rohstoffe kennen wir gelernten Ossis ja ausgiebig. Mir fällt auf Anhieb aber auch nichts ein, was nicht in irgendeiner Form knapp gewesen wäre!


Autor: Nils Verfasst am: 21.07.2007, 20:47 Betreff:
Lieber Michael,

ok, das "VEB" kann ich nicht behaupten, also lieber nur korrekterweise "Lied der Zeit" ohne VEB !

Wer genau der "Chef" in Babelsberg war, kann ich nicht sagen...

Ich editiere es jetzt nicht oben im Beitrag. Aber Tempo wurde 1948 also zu "Lied der Zeit", Amiga/Eterna, ohne "VEB".

Dein Plattenetikett "Der Herr Dinges" + "Sra?enbahnidyll" (es sind zwei kurze Lieder auf der einen Plattenseite) wurde übrigens laut Diskographie schon im Januar 1947 aufgenommen. Rückseite " Nanu, Du machst heut so auf Liebe" mit Detlev Lais. Es ist eine der ersten Amigaplatten ! Die Unterhaltungsmusikplatten "Amiga" begannen mit der Fantasie-Bestellnummer " 1100" und die gezeigte Platte hat Bestellnr 1102 .

Grüße, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 21.07.2007, 21:44 Betreff:
Prima!
Lieber Nils, das war es was ich mir auch nie erklären konnte: So hohe Zähler, in so kurzer Zeit.

Nun steht also auch fest, daß Reimanns Capri-Fischer die Nr. 1101 haben müssen - wie auf meiner Platte eben - und keine ältere Version hierzulanden erschienen ist.

Was für mich auch noch unklar ist, ist die Chronologie des Etikettendruckes. Beim Herrn Dinges war ganz offensichtlich die Druckerschw?rze eben alle geworden - genau wie das weiße Glanzpapier. Eine andere Erklärung könnte nur sein, daß man mit diesem "Klopapier" mangels besserem Material erstmal begonnen hatte. Das wiederrum glaube ich nicht so richtig.
Die Entstehungszeit der "Nachtschwärmer" vermute ich ein Stück später - offenbar eine Nachpressung einer uralten TEMPO -Matritze aus der GrammophonÄra. Eine solche Auslaufrille gab es bei den damals gebräuchlichen elektrischen Plattenspielern nicht - wozu auch.
Und hier kommen wir zurück zu den Wurzeln:
Die Nummerierung ab 1100 beginnend war sicherlich wohlüberlegt! Die Nachtschwärmer haben die 1061 - woher diese Matritze stammt ist unklar. Entweder lagerte diese auch noch im Ehrenfriedersdorfer Preßwerk oder sie stammt direkt aus dem verbliebenen Babelsberger Fundus.

Damit schließt sich der Kreis. Ernst Busch & Co. müssen wohl bei der Firmengr?ndung genau gewußt haben, daß ihnen noch eine Morgengabe dargereicht werden würde oder Kotikow hatte ihnen diese Sachen als Grundstock überlassen - vielleicht gar mit Auftragspressungen für Wladiwostok?... Wink

Wenn die AMIGA Nr.2 bereits im Januar 47 erschienen sein soll, dann wäre das vor dem offiziellen Firmenstart gewesen. Ein Umstand der kurios anmutet, es aber nicht sein braucht! Wir können es heute nicht mehr nachvollziehen, wie die Arbeit in den Genehmigungsbeh?rden organisiert war, ob es vielleicht eine vorl?ufige Betriebserlaubnis per 1.1.47 gab und lediglich die Eintragung sich - mangels Tinte oder Papier - so lange hinzog. Vielleicht war das auch nur eine Versuchsproduktion und weil sie ganz brauchbar war, gab man sie eben zum Verkauf frei...
Es gibt noch so viele Rätsel! übrigens fällt mir eben ein, daß ich bestimmt noch eine weitere Amiga mit so einem "Notetikett" besitze. muß ich unbedingt mal danach suchen!


Autor: Nils Verfasst am: 22.07.2007, 11:18 Betreff:
Hallo Michael,

also ich denke mal, daß es schon generell wie folgt war: je schlechter der "Magerdruck" auf dem Etikett und die PapierQualität, je näher liegt die Enstehung kurz vor oder eben kurz nach 1945.

Es wurden viele Platten ja auch etwas später in zweiter und dritter "Auflage" gepresst.

In Babelsberg verblieben definitv etliche der Tempo-Matrizen aus der Kriegs- und Vorkriegszeit. Ich hatte das Glück mich mit einer Angestellten des Tempowerks unterhalten zu können. Sie arbeitete in der Verwaltung bis zur vorrübergehenden Schließung des Werks mit Jahresende 1944. Daher auch die sichere Information, daß die Schließung durch den entfallenen Markt (Bombenkrieg) bedingt war. Material etc war durchaus noch vorhanden. Leider ist die alte Dame - "Fr?ulein" Piotroschke aus Potsdam - inzwischen verstorben.
Ebenso steht fest, daß Stahmann sen. bei seiner "Flucht" viele Pre?matrizen als neuen Grundstock mitnahm. Es gibt Platten aus den 50er Jahren von der neuen "Tempo" , München, die noch von den Matrizen aus dem Krieg gepresst wurden. (Horst Winter, "So schön wie heut'" , 1943)
Ebenso gibt es ein paar Horst-Winter-Platten auf Amiga. Die wurden definitiv aus verbliebenen Beständen in Babelsberg gepresst. Es war wohl eine willkommene Bereicherung des Repertoires der Amiga in den frühen Jahren.

Eben gerade hab ich ein interessante Entdeckung unter meinen "Ferner-Liefen-Platten" gemacht !
Der bekannte Kriegstitel " Im Leben geht alles vorrüber" von 1941/42 wird auf AMIGA vom Orchester Juan Llossas gespielt. Orchester und Titel sind eindeutig aus der Tempo-Zeit. Amiga scheut sich nicht mal, das Orchester auf dem Etikett zu nennen.
Aber das Beste : die Platte hat Bestellnr. 1022 !
Das steht erstmal der sicheren Information kontr?r, daß Amiga mit der Phantasiebestellnr 1100 begonnen hat.

Aber eben doch nicht so ganz ! Ich habe den Verdacht, daß die alten Tempo-Matrizen eben mit der Serie 1000 begannen und NEUAUFNAHMEN der Amiga mit 1100 begannen. Das ließe sich belegen, wenn Du mal nachsiehst, was Du noch an frühen Amigas rumliegen hast Very Happy

Aber schon interessant, daß Amiga sich nicht scheute, selbst so populäre Durchhalteschlager aus der Kriegszeit nochmal ins Programm zu nehmen...

Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 22.07.2007, 11:42 Betreff:
Lieber Nils,

wir entdecken täglich ein Stück Neues und das macht unser Hobby ja so schön.

Gehe ich recht in der Annahme, daß Deine 1022 nicht mit dem vorangestellten AM oder A gezeichnet ist? Sicherlich, denn nach meinen bescheidenen überbleibseln zu urteilen waren das dann immer "Fremdaufnahmen". In unserem Falle können wir sicher berechtigt davon ausgehen, daß es sich um Matritzen aus dem Stahmannschen "Nachlaß" handelt.

Ungereimtheiten gibt es derweil noch reichlich! So z.B. das hier:

Die typische Grammophonauslaufrille paßt einesteils exakt zur Nummer und definiert somit eine frühe Entstehungszeit in den Enddrei?igern, spätestens wohl Anfang der 40-er. Soweit würde es passen - nur, wo kommt denn da das AMIGA - Salonorchester her?... Shocked

So, jetzt gehe ich auf die Jagd nach den Amigas der 1. Stunde Very Happy


Autor: Nils Verfasst am: 22.07.2007, 12:22 Betreff:
Hallo Michael,

ich habe mit ?chzen und Krachen einen Scan der besagten Amiga hinbekommen. Der Farbton ist ziemlich exakt.

Das Etikett Deiner "Nachtschwärmer" scheint schon etwas besser zu sein. Also etwas jüngere Auflage. Dafür würde auch die Kompostion "Amiga Salon Orchester" sprechen, denn es ist mit Sicherheit eine uralte Tempoaufnahme.

Aber eventuell hat sich Amiga eben doch umbesonnen und bald nicht mehr die alten Tempo-Etikettangaben 1 zu 1 übernommen.

So wie auf dieser Amiga einer Tempomatrize von 1941:


Autor: MGW51 Verfasst am: 22.07.2007, 13:04 Betreff:
Lieber Nils,

das paßt ja genau! Die TEMPO-Nummerierung entspricht dem gleichen Schema.

Nun habe ich mal einen Sto? Platten rausgegraben, die ich erst noch einscannen muß. Daran ist gut zu erkennen, wie sich die verhältnisse in der Firma änderten. Einige Fragen zu Details tauchen da freilich auch wieder auf und deren Beantwortung weiß ich bei Dir gut delegiert

Mal sehen, ob ich das heute noch schaffe.


Autor: Nils Verfasst am: 02.08.2007, 19:07 Betreff:
Damit Ihr den "Nazi-Durchhalteschlager" im sozialistischem Gewand auch mal hören könnt, habe ich ihn für Euch hochgeladen.

Etikett: siehe mein letzter Beitrag hier.

Klick auf Etikett startet den Player!

Diese vermeintliche AMIGA-Aufnahme entstand unzweifelhaft 1941 in den TEMPO-Werken in Potsdam-Babelsberg.



Viel Spaß wünscht Nils

Hinweis: Klangdateien nur für Mitglieder die für den Schellacklub in der Galerie freigeschaltet sind!


Autor: MGW51 Verfasst am: 06.08.2007, 18:16 Betreff:
Und heute habe ich ein ganz besonderes Schmankerl: Eine ETERNA in 12" - Herstellungsjahr 1949 !


Das Bild ist anklickbar - es führt direkt in den 12"- Eternaordner in der Galerie. Dort habe ich auch noch etwas zu der Platte geschrieben.

Nach tagelangem "Schüttelfrost" brachte Hermes heute vormittag diese Scheibe. Sauschwer! Der Verkäufer hat sich allerbeste Mühe gegeben damit dieses seltene Exemplar heil bei mir ankommt - er hatte sie in Kraftpapier eingeschlagen und auf ein passend ges?gtes Stück Möbelspanplatte aufgeklebt. Kurz und gut - die Verpackung hat einen höheren Wert als die Scheibe - inzwischen gl?nzt die aber auch wieder vom Pilz befreit. Klanglich absolut entbehrlich, das Format macht die Einzigartigkeit!


Autor: Nils Verfasst am: 06.08.2007, 20:26 Betreff:
Hallo Michael,

schöne Sache !

Mich wundert es auch etwas, daß in Babelsberg schon so früh Pressen für 30cm in Betrieb waren. Denn eines steht fest: während der Tempo-Zeit gab es definitiv keine 30cm-Platten.

Entweder war die neue Ausstattung des Werkes (1948) schon mit einer großen Presse bestückt, oder es gab eine, welche beide MatrizenGrößen bedienen konnte. Oder aber es war eine Lohnpressung aus einem befreundetem Nachbarland ?

Sieh doch mal nach den Einpr?gungen im Bereich der Auslaufrille, vielleicht verraten sie und etwas!



Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 06.08.2007, 21:19 Betreff:
Das habe ich soeben getan:

    ET - O - 2217 - U ist auf der oben gezeigten Seite zu sehen.
    ET - O - 2214 - U zeigt sich sonderbarerweise auf der Umseite!
Bemerkenswert insofern, daß das Etikett 2215 anzeigt. Shocked Die Gravuren sind wie üblich handschriftlich.

In Anbetracht der absoluten Seltenheit von 12-ZÖllern für die DDR-SchellackÄra glaube ich denn doch eher an eine Auftragspressung - vllt. bei ODEON?
Da die Scheibe im Jahre 49 unter?s Volk gebracht wurde, ist hier noch alles offen - es muß nicht bei Supraphon "passiert" sein, nein ich glaube eher nicht! Wir müssen davon ausgehen, daß der Pre?auftrag zum einen nicht überaus umfangreich gewesen sein dürfte und zum anderen ja auch noch vor der Währungsreform über die B?hne ging; vermutl. gar noch bevor die Gründung der BRD vollzogen wurde!

Die Zusammenarbeit mit Supraphon kam m.W. erst ein halbes Jahrzehnt später zustande - aber ich kann mich auch irren!

Etwas kurios finde ich auch die Bezifferung der Bestellnummern mit 004 A und 006 B - kann es sein, daß es eine zweite zugehörige Platte gibt, die dann eben mit 003 A und 005 B bezeichnet wäre? Das machte ja einen gewissen Sinn, wenn es um das "l?ckenlose" Abspiel geht; natürlich nur mittels zweier WiedergabeGeräte machbar.

Ich habe da leider keine Erfahrungen, ob derartiges im Konsumerbereich praktiziert wurde.


Autor: Nils Verfasst am: 06.08.2007, 22:18 Betreff:
Hallo Michael,

die Matrizennummern halte ich eher für unAuffällig.
Bei Telefunken war es üblich bei 30cm-Platten die fortlaufende Nummer der 25cm-Platten zu nehmen, aber eine "0" voranzustellen.

Allerdings paßt die Nummer der Eterna so gar nicht in die Telefunkenreihe.

Ich hatte es wohl noch gar nicht erwähnt, aber es gab auf dem Gebiet der zukünftigen DDR (vor Staatsgr?ndung) überall auch die westdeutschen Platten aus Nachkriegsproduktion zu kaufen (Telefunken, Odeon, Imperial etc). Ich sah schon oft z.B. eine Telefunkenplatte aus Nachkriegsproduktion mit Verkaufsaufkleber aus Leipzig oder Halle etc.

Eine gewisse wirtschaftliche Verbindung zu den westlichen/Berliner Traditionsfirmen gab es anfangs also durchaus noch. Das fand dann aber mit Staatsgr?ndung der DDR ein Ende.
Es ist sogar wahrscheinlich, daß es noch weitere Aufnahmen aus dieser Reihe gab. Vielleicht sogar ein "Faust-Album" . Nur habe ich leider gar keine Unterlagen/Diskographien von Amiga/Eterna.



Mit Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 06.08.2007, 23:36 Betreff:
Telefunken, Electrola, Grammophon, Odeon und Imperial gab es frei zu kaufen auch noch in den 50-ern. Die wurden ja nicht eingestampft - die endgültige Grenze gab es ja erst 61! Bis dahin fanden immer auch +/- rege wirtschaftliche Kontakte statt. Das "minder" eben hauptsächlich bedingt durch die Währungsreform.

Eine Discographie habe ich bei Ihbee gesehen. 65,- Euronen sind mir schlicht und ergreifend unverschämt teuer, das kann ich mir einfach nicht leisten.
Lassen wir uns überraschen, was sich noch so alles an Artefakten auftut.


Nachtrag:

Eine Idee bezüglich der Bezifferung kam mir soeben:
Strenggenommen sind es ja auf jeder Plattenseite 2 "Titel" l?ckenlos aneinandergereiht. Also könnte man die Nummerierung evtl. auch so lesen: Seite A = 03 + 04 und Seite B = 05 + 06 Question
Ich habe keinen Schimmer, ob so etwas übliche Praxis war - werde mir diesbezüglich mal die AMIGA Nr. 2 anschauen (die mit den Elskamp-Brothers) welche einseitig zwei Titel zusammenhängend hat.


Autor: Nils Verfasst am: 07.08.2007, 17:04 Betreff:
Hallo Michael,

die Idee ist natürlich theoretisch möglich, auch wenn ich davon noch nie etwas gehört habe.
Bei 25cm Platten ist alles, was deutlich über drei Minuten Länge geht, schon nicht mehr machbar (mit Normalschnitt). Eine 30cm fa?t aber keineswegs genau das Doppelte.

Und noch eine Frage zu den Platten der westdeutschen Produktion, die es in den frühen Nachkriegsjahren auch im sowjetisch besetzten Teil gab:
Bist Du Dir ganz sicher, daß solche Platten noch nach Währungsreform weiterhin als Neuerscheinungen erhältlich waren ?
(Bei uns am 20.6.48, bei Euch am 23.6.48 )

Das mag ich nicht so recht glauben.



Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 07.08.2007, 20:05 Betreff:
Ob es nach der Währungsreform hier noch Neuerscheinungen gab kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen - eigentlich ist das ja auszuschließen denn diese Platten hätte doch kein Mensch gekauft!

Wie so oft im Leben sind aber auch hierbei Ausnahmen nicht rundweg zu verneinen. Auf jeden Fall gab es noch rel. reichlich ODEON, TFK und IMPERIAL, Grammophon vereinzelt, Electrola etwas mehr. Andere Labels, auch solche Massenware wie z.B. Derby kenne ich aus den Geschäftsauslagen der 50-er nicht. Ebensowenig kann ich mich an 12"-Scheiben erinnern. Hingegen gab es ab den Mittf?nfzigern bereits "Tönende KartenGröße" welche freilich als Mikrorille produziert von solchen Dummbeuteln wie mir "umgeschnitten" wurden. Naja, der Weg der Erkenntnis ist oft mit Steinen (und Backpfeifen) ges?t Wink

Von den o.g. Marken habe ich einige im Bestand, die auch noch den Genehmigungsvermerk der Militärregierungen entweder als Aufkleber, bzw. die Platten jüngeren Datums als Aufdruck auf dem Label trugen. Opa wünsche etikettierte zuweilen mit eigenen Aufklebern die Etiketten. 1948 hatte die Fa. Billard-wünsche 50. Firmenjubil?um. Das freilich konnte ich nicht mitfeiern und ich gehe sicher nicht fehl in der Annahme, daß da nichts großartig gefeiert worden ist.

Mehr kann ich dazu leider nicht beisteuern, stätze mich also nur auf mein Gedächtnis und das sagt mir ganz eindeutig, daß es eben nur ganz ganz wenige "buntfarbige" Etiketten gab. TFK war ja in diesem Maschinengrau mit einem Druck in Schwarz oder Blau, Odeon und Imperial ebenso in den Farben weiß, Grau, Blau und Schwarz ja und da zwischen drin leuchteten eben die wenigen roten Grammophon oder die dunkelroten Electrola Auffällig. Die Platten standen zum anhören in mehreren Ständern hinter dem Ladentisch, die für den Verkauf lagen in mehreren Stapeln unter dem vielfach geteilten Tisch in ihren Hüllen. Im Schaufenster hingen stets ein paar "abgenudelte". Die waren vordem in einem der St?nder und wenn sie niemand mehr hören wollte, wurde so Platz für die Neuzugänge gemacht. Solche gespielten Platten hat man auch schonmal als Geschenk bekommen. Die schleppte ich dann - stolz wie ein Perser nach Hause Dort gab ich ihnen auf einem Koffergrammo unbekannten Fabrikates den Rest!

Wie es der Zufall so will, bin ich vor Tagen an einen Görlitzer Schellacksammler geraten. Er wohnt in der S?dstadt, wenige Häuser von meiner einstigen 2. Wohnung entfernt. Vielleicht kann er etwas mehr dazu beitragen bzw. hat er vllt. Kontakte zu Sammlerfreunden die da aussagefähiger sind.


Autor: Nils Verfasst am: 08.08.2007, 11:28 Betreff:
Hallo Michael,

ja, ich kann mir auch nicht vorstellen, daß noch Platten aus westdeutscher Produktion nach der Währungsreform "importiert" wurden. Der Wechselkurs war zu der Zeit wohl 1:5, was heißt, das eine solche Platte über 10 Mark (Ost) im Laden hätte kosten müssen. Ein staatliches Sponsering mit den knappen Devisen ist für die (West-)Platten wohl auszuschließen.

Darüberhinaus wäre es eine Binnenkonkurrenz zu Amiga und Eterna gewesen. Amiga hat sich ja auch von Beginn an bem?ht, die populären Schlager (Caprifischer, Ganz Paris tr?umt von der Liebe etc.) mit eigenen Interpreten auf den Markt zu bringen.
Interessanterweise waren auf Amiga in den frühen Jahren noch durchaus viele populäre "West" - Interpreten und Orchester mit Neuaufnahmen zu finden . ( Bully Buhlan, Adalbert Lutter, Erwin Hartung, Kurt Hohenberger, Helmut Zacharias, Rita Paul etc)



Grüße, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 08.08.2007, 11:58 Betreff:
Lieber Nils,

am Wechselkurs würde ich mich jetzt nicht aufhängen wollen. Wenn es direkte "Importe" - die das damals ja noch garnicht waren - gegeben hat, dann lief es auf die altbewährte Form des Ware gegen Ware oder Ware gegen Leistung hinaus. LdZ war ja noch immer ein Privatunternehmen und als solches relativ frei in den Entscheidungen. Ich bin mir sicher, daß man das auch versucht hat zu nutzen. Was dabei rauskam wissen wir (noch) nicht.

Warum sollte es keinen direkten Warenaustausch auf dem Sektor gegeben haben? Die LdZ hätte das sicher nicht als Konkurrenz empfunden - dieses Denkschema kann ja erst dann aufkommen, wenn der Marktbedarf aus eigener Kraft gedeckt wird und das war sicher im Bereich der sogenannten U-Musik nicht der Fall. Bei Klassik schon eher. Gewaltige Stückzahlen wird es da freilich nicht gegeben haben - die Masse der Menschen hatte hier ganz andere Sorgen als aktuellste Schellack?s im Regal zu haben Wink

So viele Interpreten gab es damals in Ostelbien eben auch noch nicht und andererseits sind nicht wenige Ostk?nstler zu Westfirmen gegangen - in Berlin war das alles kein Problem und auch im Rest der DDR konnte man recht einfach per Bahn die damalige Demarkationslinie überqueren...
Kontrolliert wurde natürlich, doch das richtete sich zuvorderst gegen Schmuggelware.


Autor: MGW51 Verfasst am: 01.10.2007, 16:16 Betreff:
Etwas neues kann ich aus der ETERNA-Plattenszene berichten.

Der von Hajo aufgestöberte Onlinekatalog mit angeschlossenem Forum ist wirklich recht ergiebig. Meine diesbezügliche Anfrage zu der 30-er ETERNA wurde dann auch sogleich beantwortet:
All-in-one schrieb wie folgt:
Hallo Michael,
obwohl ich mich nach 15 Jahren beschäftigen mit Schellackplatten der DDR als Spezialist bezeichnen würde, kann ich Deine Frage sicher nicht vollständig beantworten. Es gab 100-200 Pressungen in diesem Format, und der Zeitraum ist von ca. 1949 bis 1954 anzusetzen. Zumindest sind sie da in Katalogen zu finden. Die speziell von Dir "vorgestellte" Platte ist aus dem Goethe-Zyklus und umfasst 10 Nummern (001 bis 010), die es aber auch in unterschiedlichen Koppelungen 004A mit 006B gab. Weiter gab es z.B. noch die Reihen
  • 1.) C010 bis C 058 (anfangs nur J.S. Bach)
  • 2.) 25/x (ca. 1 bis 26)
  • 3.) 26/x (ca. 1 - 15)
v.a. mit gr?sseren Werken (Sinfonien), die auch über mehrere Platten verteilt waren und für Wechselplattenspieler eingerichtet waren. Schliesslich gab es noch einzelne Amiga-Platten mit 30cm wie die 1193/30 oder 45/x.

Gepre?t wurden sie zumindest anfangs wahrscheinlich bei Supraphon, wo sie dann auch ab 1953/54 von den ersten Vinylpressungen dort abgelöst wurden.
Viele Grüsse

Nun, das ist erstmal etwas greifbares und ich werde nun gezielt nach diesen Nummern Ausschau halten. Auf die Idee, daß man schon vor 50 mit Supraphon zusammenarbeitete, bin ich nicht gekommen. Es ist aber insgesamt einleuchtend - oder etwa doch nicht?

Spekulation:
Auf den ersten Plastescheiben von ETERNA ist der Partner SUPRAPHON auch mit angegeben:

Auf der Schelli kann man davon nichts finden!

Busch und die ODEON - das würde mir intuitiv besser gefallen - hatten ja einige gemeinsame Ber?hrungspunkte...

Ich finde es spannend



© 2005 print topic mod