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Danke für den freundlichen Wiederempfang.
übrigens ist der eine Rote (einen Dolcetto gibt es auch noch) vom Rebberg Guidos und Margrits (beide sind Altstuderaner, wobei Margrits Szeneneinstieg über Wilhelm Franz, EMT/Ela Audio, Wettingen erfolgte) nicht das einzige quasi-akustische Leitfossil aus der Schweiz in Görlitz und Umgebung, denn die weiterhin bekannte Sonnenorgel von St. Petri et Pauli, Görlitz entstand als neues Werk vor einigen Jahren in N?fels, Glarus also quasi dem Heimatort des oben erwähnten Studer-Patenteschmieds Paul Zwicky, ebenfalls Regensdorfer Urgestein, ohne das der Laden undenkbar ist. Paul kommt nun aus Mollis, das mit N?fels heute die Verwaltungsgemeinschaft N?fels-Mollis bildet, obgleich sich kulturgeschichtlich-politisch bis zum heutigen Tag gewisse Welten zwischen beiden, am Fl?sschen Linth einander gegenüber gelegenen Orten abzeichnen. Mollis entschied sich vor Jahrhunderten nämlich für die Gefolgschaft Huldrych Zwinglis, während N?fels altgl?ubig zu bleiben geruhte.... Ebenso wie der vielleicht bedeutendste Sohn der Stadt Mollis -natürlich außer Paul...-, der im 16. Jahrhundert in Basel und Freiburg lehrende Humanist Heinrich Glarean.
Willi Studers Molliser Induktivitätenwerksgeb?ude (Übertrager und TonKöpfe), das natürlich Paul Zwicky in seinem Heimatort mit angeschoben hatte, steht noch heute, wenn auch von Firmen besiedelt, die nur in EinzelFällen noch weniges mit den Manen des Geb?udes zu tun haben. Selbige hängen ebendort aber noch immer in den Gardinen, zumal der ber?chtigte "Brand im Studer-Tonkopfwerk" nicht hier stattfand.
Nachdem die oben erwähnte D36/E36-Anekdote auch mit TonKöpfen zu tun hat, können wir ja damit weitermachen, zumal mir Guido diese Geschichte selbst erzählt hat:
Wir schreiben das Jahr 1960. Der junge Werkzeugmacher/Elektroingenieur G. B. ist schon seit einiger Zeit für die qualifizierte Lagerhaltung elektronischer Bauteile bei Studer zuständig, entwickelt am Verstärker Revox 39, als er darauf aufmerksam wird, dass einige Zimmer weiter "der Willi" mit einem Werkstudenten dabei ist, die bereits monofon existierende D36 zu stereofonisieren. für die heranrückende FeRa60 (die schweizerische Funkausstellung 1960) war das Gerät mit einigem Hallo als erstes stereofones Gerät der Firma Studer angekündigt worden, weshalb die Zeit zu drängen begann, weil der Erfolg in Gestalt eines betriebstüchtigen Konzepts ausblieb. Die D36(stereo) musste natürlich als HalbspurGerät (mono) verwendbar bleiben, was für die Herren zu schier unüberwindlichen Problemen führte: Die unterschiedliche Belastung des Hf-Oszillators durch L?sch- und Aufsprechkopf bei stereofonem und monofonem Betrieb bedingte ohne Sonderma?nahmen -wie nicht anders zu erwarten- extrem unterschiedliche Hf-Pegel an L?sch- und Aufnahmekopfpaketen, weil der Röhrenoszillator mit Hf-Trafo unter der Stereolast pegelmüßig in die Knie ging. Entweder hatte man brauchbare verhältnisse beim Monobetrieb (je ein aktives Spurpaket von Aufnahme und Löschkopf), konnte dann den Stereobetrieb wegen des abweichenden Vormagnetisierungspegels vergessen oder man glich auf den Stereobetrieb ab (je zwei aktive Spurpakete von L?sch- und Aufnahmekopf) und musste damit die gute AufnahmeQualität des Gerätes bei Mono abschreiben. Man bekam das nicht gebacken, obgleich es ja so manche Idee gibt, wie derlei in den Griff zu bekommen sein könnte. Guido wurde auf das sich anbahnende 'Desaster' an einem Mittwoch aufmerksam und 'pfuschte' den -darob natürlich etwas anges?uerten- Herren ins Handwerk, denn die hatten ja bereits Wochen gebastelt, ohne dass etwas vorangegangen war. Auf der Basis des Vorhandenen sortierte Guido in den folgenden drei Tagen (!!) erfolgreich die bereits vorgesehenen Röhren-Einzelsysteme funktional so um, dass ein sowohl monofon als auch stereofon funktionstüchtiges Konzept herauskam. Am Samstag lief die Kiste nach Wunsch:
Es gab damit nun einen studerunüblichen, aber andernorts (Uher, Grundig) weit verbreiteten Eintakt-Hauptoszillator, dem zwei als Trennverst?rker arbeitende Röhrensysteme nachgeschaltet waren, die jeweils nur das ihnen zugewiesene L?sch- und Aufnahmekopfpaket zu versorgen hatten. Damit war es möglich, die L?sch- und Vormagnetisierungspegel bei Mono -und Stereobetrieb mit der für die vorausgesetzte und prinzipiell mögliche hohe WiedergabeQualität notwendigen Genauigkeit konstant zu halten. natürlich hatte man sich jetzt den nie wirklich halbwellensymmetrischen Eintaktoszillator ins Nest geholt, was eine kleine Firma dann nicht so ohne weiteres wieder los wird. außerdem war "der Willi" ("le patron") durchaus sauer, weil er dem noch dazu deutlich jüngeren Guido den schnellen Erfolg noch dazu entlang bereits eingefädelter Vorgaben neidete... Die Kiste funktionierte aber für die Fera60.
Dies ist der alleinige Grund dafür, dass Revoxens D und E36 Hf-Oszillatoren nach dem Eintaktverfahren aufweisen, was 'an sich' elementar gegen Studer-Sichten verstößt, fällt es doch wesentlich leichter, einen Gegentaktoszillator wirklich klirrarm und vor allem frei von den unglücklichen k2-Verzerrungen zu halten. Nun, der Gegentaktoszillator kam dann ja mit der F36 auch wieder, wobei diese Maschine dann auch die andere Lösungsidee Guidos bezüglich der Hf-Behandlung einer Mono-Stereo-Umschaltung realisiert: Mit der F36 hält die Löschkopfersatzspule bei Studer Eingang.
übrigens kommt das D/E36-Verfahren mit der Vielkanal-A80 und ihrem Masteroszillator durchaus auch noch einmal zurück, was uns aber zur A80 führen würde, die ihrerseits einige Klippen zu überwinden hatte, weil das Betreten von Neuland ?beim Schdud?r? immer dramatische Erfahrungen für die letztlich nie sonderlich zahlreichen Studer-Mannen in der Konstruktion mit sich brachte.
Im selben Jahr 1960 gab es noch so ein 'Ding', denn EMT als deutscher Vertreiber von Studer-Produkten hatte drei B30 stereo (sicherheitshalber unter Angabe fixer Liefertermine?) an einen Kunden in Baden-Baden verkauft, ohne dass es dieses Gerät (nebst Preisen) überhaupt gab. Als Guido mir das erzählte, kam natürlich meine naive Frage: ?Und was habt ihr dann gemacht?? Trockene, leicht z?richdeutsch abgetönte Antwort: ?Wir haben das Gerät halt gebaut!? Studer kam also zur professionellen Stereofonieschiene wie die Jungfrau zum Kind (?es muss sein??), was aber Guido insofern etwas anders sieht, als er im Zuge der den Liefertermin wahrenden finalen Inbetriebnahme der Geräte in Baden-Baden erfuhr, wie es sich anf?hlt, wenn man über 70 Stunden am Stück keine Zeit zum Schlaf findet?
Auch die A77, deren Elektronik im Auftrag der Firma Cedamel, Paris zuerst die G36 mit ihren normalerweise 13 Röhren ?abk?hlen? sollte (1965), wäre mechanisch etwas anders geworden, wenn denn alles seine Wege nach des Willi wünschen genommen hätte. Guido wollte aber mit der nun anrollenden A77 auch auf der Amateurschiene die Abkehr vom Kombinationsrahmen aus HolzGehäuse und Gusschassis (vgl. G36 mit kalt verformter Deckplatte) zum völlig autarken Gusschassis einleiten. Damit wäre auch auf die geprägte Blechtragplatte für die Motoren und die Kopfbr?cke zugunsten eines Gusschassis zu verzichten gewesen. Das wollte aber der Alte wohl aus finanziellen Gründen nicht, beging jedoch den Fehler, einmal acht Tage in Urlaub zu fahren: Der Willi lachte nicht nur fast nie, sondern ging auch ebenso selten in Urlaub. Hier aber war es für eine Woche so weit, was Guido gemeinsam mit der enorm schnellen Prototypfertigung im Haus Studer, wo Konstruktion und Fertigung Tür an Tür arbeiteten, auszun?tzen wusste. Es vergingen damals bei Studer von der Zeichnung bis zum fertigen MetallwerkStück maximal vier Tage, was hier ausreichte, den Alten bis zur R?ckkehr vor vollendete Tatsachen zu stellen, obgleich die ?geprägte Blechplatte? der Konstruktion per Cheferlass eigentlich schon bestimmt war. Der Willi war extrem anges?uert, als die während seiner Abwesenheit gelaufenen Vorg?nge durchschaute, strafte Guido (man war per ?Du?) mit einigem Wochen Missachtung, ließ ihn aber gewähren.
Die A77 wurde mit solcherart ?MaßnahMenü die erste Amateurbandmaschine der Magnetbandgeschichte mit einem völlig autarken Gussfachwerksrahmen, der namentlich in England den legendären Ruf des Gerätes zu etablieren half.
Sie war an sich fertig und wartete auf den Fertigungsanlauf, als aus München Baron Hornstein von Uher nach Regensdorf zu Besuch kam. Hornstein war wohl derjenige Mann in der Uher-Geschichte, der als Geschäftführer am meisten von der Konstruktion eines Bandgerätes, seiner Fertigung und den immer zu bewältigenden betriebswirtschaftlichen Problemen gemeinsam verstand. Er beschied dem jungen Ingenieur und Projektleiter A77 Guido Besimo (*1933), dass ?d?r Schdud?r? an der A77 wegen des für ein AmateurGerät beispiellosen Aufwandes geradenwegs Pleite gehen werde. glücklicherweise erwies sich diese Prophezeiung eines wirklichen Fachmanns als Fehlprognose.
Guido selbst stellte die A77, die ja innen so ansehnlich ist wie außen, mit nicht geringem Stolz auf der Funkausstellung in Berlin vor (Sommer 1967). Dafür hatte man im Regensdorfer Hause ein Acrylglas-Gehäuse mit Querachsengelenken gebaut, in dem man eine betriebsbereite Maschine um die Querachse drehen konnte, um Interessenten einen ungehinderten Blick ins Innere zu ermöglichen. Da kam ein älterer, Guido unbekannter, hoch gewachsener Herr mit warmer Bassstimme an den Studer-Stand, gab sich als Alt-AEGler zu erkennen, ohne aber seinen Namen zu nennen. Er bewunderte dies AmateurGerät und seine teilweise sehr interessanten technischen Lösungen ausgiebig und ?u?erte einige Verwunderung darüber, dass sich der Projektleiter/Konstrukteur auf einer Ausstellung hinter sein Kind stelle. Guido fragte schweizerisch trocken zurück: ?Warum nicht??
Es dürfte dieser Besucher nach Lage der Dinge Eduard SchÖller gewesen sein.
Meine Frage, was sich Guido überlegt habe, um die hervorragenden Kopfträgereigenschaften der A77 zu realisieren (die A77ORF steht einer B67 ?ein anderes Kaliber, gerade auch preislich- hinsichtlich der Kopfträgereigenschaften qualitativ kaum nach), beantwortete er kurz und knapp: ?Eigentlich gar nichts. Ich habe nur darauf gesehen, dass die Köpfe so nahe zusammenkamen wie möglich.?
Um die Anekdotenreihe abzuschließen: Dass im Eingangsverst?rker der A77 der Elko der Wechselspannungsgegenkopplung/Verstärkungseinstellung beim einen Kanal auf die Platinenober-, beim anderen auf die Platinenunterseite gelötet wurde, beruht auf einer bewussten Problemkompensation und ist angesichts der sich ob dieses Problems seinerzeit in der Konstrukteursmannschaft ausbreitenden Verzweiflung (der Fertigungsanlauf war terminiert) eine bis heute sichtbare Kuriosität. Davon erzähle ich vielleicht auch noch.
Angesichts dieser hingestanzten Konstruktionsbombe verwundert es nicht, dass sie die Geschichte des analogen Hf-Magnetofons, die ich von 1940 bis 1992 ansetze, in zwei gleich große Hälften zu jeweils 26 Jahren teilt: Die Zeit vor der A77 und die Zeit danach. Zufall? Guido selbst fasste das einmal in wenige Worte: ?Wenn man auf ein Leben zurückschaut und im Nachhinein erkennt, was alles einfach ?geworden? ist, überrollt einen die Demut.?
Od?r?
Hans-Joachim |
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