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Autor: MGW51 Verfasst am: 10.10.2007, 07:28 Betreff: Plattenmaterial: 78 Upm muß kein Schellack sein!
es kann durchaus eine Vinyl sein, oder eine Flexible, aber etwas ganz anderes - so wie das hier:



Ganze 6 Zoll 78Upm und Mikrorillen, dazu noch ein Material des Grauens: Polystyrol!

Das vermute ich wenigstens, es kann auch Polycarbonat sein. Etikett Fehlanzeige, das Label ist einfach aufgedruckt.

Diese Scheibe ist ein Hit... Daumen hoch

Wo kommt sowas her und warum?
Zuletzt bearbeitet von MGW51 am 18.08.2014, 14:24, insgesamt einmal bearbeitet


Autor: Nils Verfasst am: 10.10.2007, 10:04 Betreff:
Hallo Michael,

also, eine logische Erklärung habe ich für Deine Platte auch nicht....

Aber vor ein paar Jahren hatte ein Sammlerfreund mir mal eine TEMPO-Matrizen Nachpressung (ungarisches Orchester Len Hughes, ca 1939) gezeigt.

Die wurde auf Vinyl gepresst! Abspielbar natürlich nur mit Leichttonarm und Mikrosaphir. Aber eben 25cm-Format und 78 upm. Eine ganz erstaunlich gute KlangQualität, wie man sie von den Pressungen auf Schellack gar nicht gewohnt ist.

Leider haben fast alle Firmen ihre alten Matrizenlager schon vor Jahren dem Altmetall anvertraut wacky

Gruß, Nils


Autor: Nachtfalke Verfasst am: 11.10.2007, 19:48 Betreff:
Hallo

Ich sch?tze dass es aus England oder Amerika kommt.
Gemacht hat man es deshalb weil durch die höhere Umdrehungsgeschwindigkeit ein größerer Frequenzgang realisiert werden konnte. Nils hat ja schon sehr treffend gesagt dass es eine erstaunlich gute KlangQualität hatte.

Ich hab sowas mal gesehen als der Radiosender AFN Nuernberg aufgelöst wurde.
Ich muss mal schauen ob ich es noch finde - bei Gelegenheit.


Autor: TipFox Verfasst am: 11.10.2007, 20:49 Betreff:
Das ist eine frühe "Maxi-Single" Wink

Die modernen "Maxi-Singles" haben ja auch das Format einer 33er LP - und laufen auf 45RPM. Auch da geht's um Qualität (und etwas überl?nge)...


Autor: MGW51 Verfasst am: 11.10.2007, 23:05 Betreff:
Liebe Freunde,

ich glaube Ihr liegt hier alle falsch.
Doch der Reihe nach:

Die Neupressungen alter Schellackmatritzen auf Vinyl sind mir bekannt und dazu gibt es noch etwas absonderliches, was ich selbst nur nachplappern kann:
Es wurden dem Vernehmen nach auch V?ter von vorhandenen, einwandfrei erhaltenen Schellacks gefertigt und dann davon Vinylpressungen gemacht - das ist etwas, was mir ziemlich "spanisch" vorkommt doch werde ich mich h?ten, dies gänzlich auszuschließen.

Auch Umschnitte, wo die Modulation im Direktschnitt auf eine PVC-Scheibe graviert wird, tauchen immer mal auf. Die Besonderheit ist hier allerdings, daß der Schnitt als Mikrorille erfolgt! Das ist zu beachten, sonst ruiniert man diese Platten beim ersten Versuch. Um so ein Exemplar wird es sich bei der von Nils benannten Scheibe handeln. Also keine Nachpressung, denn die wäre ja korrekt nur mit Normalsaphir abzutasten.
Wenn es eine Pressung als Microrille unter Zugrundelegung einer alten Tempo-Matrize sein soll, dann kann dieser m.E. nur das Vater-Mutter-Verfahren mit anschließendem Direktschnitt in Metallfolie vorausgelaufen sein. So ein großer Aufwand erscheint mir wenig verständlich - dafür ist der Markt nach meinem Dafürhalten einfach (noch) nicht da. Doch auch wenn man das Galvanikverfahren erw?gt, wird es nicht einfacher.


Die Herkunft meiner Polystyrolscheiben ist sicher im dem Angloamerikanischen Raum zu suchen. An die Spielzeugsparte hatte ich auch schon gedacht - das paßt aber nicht zu dem, was da drauf ist. Die Qualität ist nicht nur wegen dem miserablen Zustand ziemlich erbärmlich - ich denke eher, daß das dem material selbst zuzuschreiben ist. Polystyrol gibt es in vielen Qualitäten, auch schlagfest und schlagzäh. Allen mir bekannten Mischungen ist gemeinsam, daß sie eine äußerst kratzempfindliche Oberfläche haben. Darin unterscheiden sich diese Kunststoffe ganz wesentlich von dem mit bedeutenden Anteilen an Weichmachern daherkommendem Polyvinylchlorid. Selbst PVC-hart, wie es für Installationszwecke eingesetzt wird, widersteht leichten Kratzversuchen mit Fingern?geln ohne Mühe. Erst recht sind die weichen Schallplatten gegen solche Attacken immun - solange es nicht gegen die extrem dünne spitze der Rillenflanke gerichtet ist, muß man schon grobes Werkzeug bemühen um Spuren zu hinterlassen. Polystyrol dagegen - ihr kennt das von den transparenten Abdeckhauben vieler Plattendreher - reagiert sofort auf kleinste Staubteilchen in der Raumluft und ein einmaliges auch noch so vorsichtiges Abwischen mit trockenem oder auch feuchtem Tuch hat die Haube unübersehbar zerkrÖlert. Nur fließend warmes Wasser mit Spülmittelzusatz darf zur Reinigung benutzt werden. Anschließend trockenf?nen - aber sehr vorsichtig!


Also, die 78 Upm sind schlicht erforderlich um überhaupt ein bissel was an Frequenzgang und Dynamik aus der Platte zu holen. Hans-Joachim wäre hier sicher aussagefähig. für den Arm und das System ist es fast schon eine Tortur bei einer normalen Single.

Zur Verdeutlichung, da es im Bild natürlich nicht erkennbar ist:
Ein Single-Etikett mißt 90mm, der Etikettdruck der "Gelben" kommt mit 63mm an. Bei einer Single geht die Modulation selten weiter als bis auf 120mm, oft weniger. Die Gelblinge sind bis ca. 95mm moduliert.


Aber es kommt noch besser Very Happy
Ich habe mal mit einer Lupe diese Gilbscheibenrille neben einer wirklichen Mikrorille betrachtet. Im Ergebnis dessen versuche ich einfach mal diese Scheiben mit einem Normalsaphir abzutasten und werde dann hier das Ergebnis berichten.

Die Titel kann ich ja mal aufschreiben - vielleicht kennt sie jemand und es gelingt von daher, auf die Entstehungszeit zu schließen.


Autor: Nils Verfasst am: 12.10.2007, 05:25 Betreff:
Hallo Michael,

also, ich muß meine Aussage zu der TEMPO auf Vinyl etwas korrigieren.
Es ist tatsächlich eine von der alten Originalmatrize gepresste Platte - nur eben auf Vinyl. Abspielbar natürlich mit NORMAL-Saphir.

Ich habe gestern abend noch mal mit dem Besitzer der Platte telefoniert.

Die Matrizen mit Orchester Len Hughes wurden 1938/39 in Budapest aufgenommen ( für welche Firma dort, ist unbekannt) . TEMPO/Stahmann hat welche gekauft und normal als TEMPO-Aufnahmen in Deutschland auf den Markt gebracht. Selbst Amiga hat sich da noch im altem Tempo-Fundes bedient: Amiga Nr. 1053, 1054, 1058, 1059. Pseudonym u.a.: Amiga Tanzorchester, Gesang: "Hughes". Haha...

In Ungarn hat man vor etlichen Jahren eine LP-Veröffentlichung von dem Orchester herausgegeben. In diesem Zusammenhang wurden von den noch vorhandenen Matrizen Vinylpressungen hergestellt.

Eigentlich eine gute Idee: es fallen für einen späteren Umschnitt auf Mikrorille / 33 upm dann schon mal die schellackbedingten Nebenger?usche weg, ohne durch Filterungen VerfÖlschungen hineinzubringen.

Gruß, Nils


Autor: MGW51 Verfasst am: 12.10.2007, 10:02 Betreff:
Guten Morgen lieber Nils,

das ist allerdings eine gute Geschichte. Ja, so wird auch ein Schuh draus Very Happy Da können mit geringstem Aufwand direkt von der Matrize neue S?hne gefertigt werden. Ich möchte sogar meinen, daß es sinnvoller ist, die im 1:1 Format zu fertigen; das ist bedeutend authentischer als nach einem Umschnitt auf Microschrift mehrere Titel auf eine einzige Scheibe zu quetschen und das 10"-Format bekäme so auch wieder einen Auftrieb.

Wir wissen ja, daß die Schallplatte nach ein paar Jahren des R?ckganges nun wieder j?hrliche Zuw?chse verzeichnen kann und wenn ein Unternehmen diesen Aufwand betreibt, völlig verrottete bzw. schrottreife Pressen aus dem brasilianischen Urwald hier her nach Stolberg zu holen um sie fachgerecht aufzuarbeiten und nun damit fleißig produziert, dann läßt das durchaus auf noch manche überraschung hoffen.


Autor: Nachtfalke Verfasst am: 12.10.2007, 10:29 Betreff:
Erstaunlich Exclamation

Es wäre interessant sowas mal als MP3 zu hören - nur ein kleines Stückchen um zu hören was da drauf ist.


Autor: MGW51 Verfasst am: 12.10.2007, 10:39 Betreff:
Ich arbeite daran! Very Happy


Autor: Nils Verfasst am: 12.10.2007, 10:52 Betreff:
Hallo Walter, hallo Michael,

hören w?rd' ich das wohl auch gern...
Schellackmatrizen auf Vinyl zu pressen, wäre sicher eine tolle Sache. Aber das ist zum Scheitern verurteilt: es gibt die Matrizen nicht mehr ! Von Telefunken weiß ich, daß 1956 (mit Produktionsende) die Matrizen ganz einfach in den Metall-Müll gingen. Man hat nur Umschnitte/Bandaufnahmen von bekannten Sachen behalten für das Archiv.

Der alte Herr Leimbach hier in G?ttingen ("Tondokumente der Kleinkunst") wollte in den 70er Jahren gern mal das Matrizenlager der GRAMMOPHON in Hannover besichten: Absage, weil es ja das "Heiligtum" der GRAMMOPHON wäre.
Eine weitere Besuchsanfrage in den 80er Jahren ergab, daß das "Heiligtum" Schellackmatrizenlager inzwischen komplett an einen Altmetallh?ndler gegegangen war...

Ich vermute einfach, daß keine Firma mehr die Original-Schellack-Matrizen aufbewahrt hat.

Gruß, Nils



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