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Lieber Jürgen,
für mich ist und war es immer reizvoll und beklemmend zugleich, wie kompliziert sich Diskussionen von Fachthemen entwickeln, wenn man nicht nur an der Oberfläche kratzen möchte, sondern den Sachverhalt aufzuspie?en versucht.
Hinsichtlich von DTS sprechen wir durchaus über dieselben Dinge, denn das von mir in deinem Falle vorausgesetzte Verfahren basiert auf der CD (= "Compact disc", also keine DVD; oder subsummierst du gegebenenfalls die DVD unter dem Oberbegriff "CD"?) mit der ihr eigenen DatenÜbertragungsrate von 1,4112 Megabit/s. In diesem an sich zweikanalig gedachten Code sind bis zu 5+1 Kanäle mehr oder minder diskret nutzbar untergebracht, die durch einen Wiedergabeprozessor wieder auseinandergerechnet und ausgegeben werden. Es handelt sich also um ein in meinen Augen letztlich matriziertes Verfahren, was ich mit meinem Verweis auf eine "Zweikanaligkeit" andeuten wollte. Der CD-Player (der echte...) kann 'an sich' in der üblichen Version nur zwei Kanäle, weshalb man den Datenstrom auch per SPDIF in den DTS-Decoder geben muss, um wieder an die EinzelkanÖle zu kommen. DTS gibt aber zwei echte SurroundkanÖle aus und vermeidet damit einen ernsten Mangel von Dolbys ProLogic-Verfahren.
Solltest du auf deiner Datenscheibe jedoch eines der DTS-discrete-Formate vorliegen haben (die im Liebhaber-Sektor eher selten sind), scheidet die klassische Eindhovener CD als Datenträger aus, weil ihre Kapazität bei weitem zu gering wäre.
Interessant ist es in diesem Zusammenhang vielleicht zu wissen, dass die ursprüngliche CD-Spezifikation von Joop Sinjou und Cees Ottens auch die Speicherung von vier diskreten Kanälen vorsah (also dem, was bei Quadro etwa zehn Jahre zuvor herzhaft danebengegangen war, weil kein ordentliches Speichermedium vorlag), was aber meines Wissens nie marktrelevant genützt wurde.
können und Wissen meiner ernst zu nehmenden Kollegen in den Disziplinen Technik und Musik sind mir durchaus vertraut, weshalb ich da mit Zweifeln bezüglich aufnahmetechnischer elementarph?nomene sehr, sehr vorsichtig bin. Nachdem man Joe Cocker nicht in irgendwelchen Hintertreppenstudios versumpfen lässt, sondern ihn sicher mit neuester und teuerster Technik aufnimmt, stehmüssen in solchen Studios Raumprozessoren zur allfälligen Benutzung in Auffälligen Mengen herum. man muss sie nur n?tzen (wollen) oder lässt das eben; das erfolgt dann aber absichtlich.
Nachdem Cocker sicher auch noch immer Phantasiehonorare bezahlt werden, belastet man ihn auch (genau aus diesem Grunde) nicht mit unerfahrenem Personal, das allzuleicht den überblick verliert. Und: Die Nachbearbeitung erfolgt ja in -je nach Aufwand der Titel- vielen Nachbearbeitungssitzungen, die unendlich Geld verschlingen, das der Produzent lange vor dem Verkaufsstart des Endergebnisses ohne sicher garantierbaren Rücklauf mobilisieren muss. Im professionellen Umfeld bleibt da schon deshalb nichts dem Zufall überlassen, weil man diese Lasten in einigermaßen kalkulierem Rahmen halten möchte.
Ich teile deine Vorhaltungen bezüglich der unbefriedigenden Raumdarstellung auf jeden Fall, gerade weil ich als klassischer Organist und Kirchenmusiker mit der musikalisch wesentlichen Rolle einer ad?quaten Raumeinbeziehung in musikalisches Tun und seine mediale Übertragung gleichermaßen von Anfang meiner Musikertage vor 50 Jahren an vertraut bin. Es versteht sich von selbst, dass man dann die bezüglich einer Raumabbildung gravierenden Unterschiede zwischen Laufzeit-, Koinzidenz- und ?quivalenzstereofonien zu begreifen versucht, auch wenn die CD-Tage erst einige Jahre nach meinem Studium begannen und es noch weitere Jahre dauerte, bis (zumindest in der klassischen Musik war das so) die laufzeitsterofonen Hauptmikrofoanordnungen die koinzidenzstereofonen abgelöst hatten und endlich mit im Gegensatz zu Druckgradientenemf?ngern kaum verfürbenden DruckEmpfängern ein Raum- und Ensembleklang (wieder-) aufging, den man nun wirklich als solchen bezeichnen konnte. Bis dahin litt ich buchstüblich, weil es mir wirtschaftlich nicht möglich war, eine Produktion durch drei oder gar mehr Plattenschnitte mit jeweils nachfolgender Galvanik und Anpressung zu treiben, weil das mein Produktionskonto über Gebühr belastet hätte. So, nämlich experimentell-empirisch gingen aber die großen Plattenverlage vor, wenn man Magnetbandaufnahmen mit nicht korreliertem Raumanteil auf Platten schneiden wollte, ohne dass die Abtastst?rungen beim Konsumenten unerträgliche Größenordnungen annahmen.
Dass die erhaltenen RRG-Magnetbandstereos von 1943/44 bereits und wie selbstverständlich sich der Laufzeitstereofonie mit DruckEmpfängern bedienten, übrigens in nächster Verwandtschaft zum Decca-Tree (Decca London ab ca. 1958) oder zum Verfahren nach Mercury-Living-Presence ( Bob Fine/Wilma Cozart ab ca. 1953), wirst du wissen.
Auch wenn wissenschaftlich erst ab etwa 1980 Günther Theile mit seinen Forschungen und Publikationen den Fokus auf das physikalisch-psychoakustische Warum lenkte, wusste 'die Szene' empirisch damit also schon lange vorher recht genau, wie man eine zweikanal-stereofone Raumsuggestion anzuschieben hatte, selbst wenn Stereo-Platte und multiplexstereofoner Rundfunk da tendenziell 'wider den Stachel l?ckten'.
Bez?glich der Beatles-Abmischungen, die von Bändern entstanden, deren Vorlagen auf der von meinem Freund Guido Besimo konstruierten J37 Willi Studers aufgenommen waren -Guido feierte überdies vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag-, hatte es natürlich auch seine besonderen Bewandtnisse, die -gerade damals ohne "total recall" auf Diskette oder Magnetband- von der Aufnahmemannschaft schlecht dokumentiert wurden und daher "beim CD-Remix" schon elementarst nicht mehr 1:1 nachgestellt werden können; wir wissen zumeist einfach nicht mehr, was bei der Nachbearbeitung geschehen ist. Weiterhin deckte die klassische Schallplattentechnik eine Vielzahl schlichter Mängel mit dem Mantel der Unhörbarkeit zu, den die CD aggressiv wegzieht, so dass sich der heute bearbeitende Tonmeister sagt, dass man 'das doch unmöglich so lassen' könne. Damit setzt dann aber allzuleicht eine "Wiederaufarbeitungsarie" ein, die selbstverständlich in einem völlig neuen Mix und damit in einem anderen 'Titel' als dem endet, den die Beatles vor fast 50 Jahren veröffentlichten und den der medienhistorisch fühlende Hörer heute erwartet.
Einmal abgesehen davon, dass wohl die meisten Aufnahmen der Beatles ohne Dolby-A-Unterstützung entstehen mussten, werden neuzeitliche Rausch- und Verzerrungsarmut bei der Erfassung der 'originalen Schallfelder' von 1962 bis 1969 Wunschtraum geblieben sein, was ein aktueller Beabeiter gerade wegen der Einsicht in sein tontechnisches Handwerk zu verdecken sucht. Dass es dabei zu Fehlgriffen kommen kann, kenne ich nur zu gut, denn eine legendäre, zwischen 1947 und 1952 entstandene Aufnahmeserie meines Gerade-Nichtmehr-Lehrers Dr. Erich Thienhaus für die DGA musste so ihren 'Ruhm' in unseren Tagen auf interessanteste Weise im Vergleich zur DGA-Originaledition aus den 1950ern 'b??en'. Nurmüssen wir Ursachen und Wirkungen angesichts solcher Erfahrungen in korekte Beziehung zueinander setzen; dann wird die Betrachtung der technischen EEntwicklungen und der 'Einbettung' einer jeweils zeitgenössischen musikalischen Medienkultur hochinteressant; nicht zuletzt auch deshalb, weil die (originalen) Dokumente ja noch heute von uns angehört werden können.
Abschließend:
Wir wissen heute ganz genau, was zu geschehen hat, um medienakustisch Raumeindr?cke absolut überzeugend zu suggerieren, nachdem genau dies eines der zentralen Anliegen der akustischen Forschung der letzten 35 bis 40 Jahre war, auch wenn derlei dem durchschnittlichen Behringer-Nutzer unserer Tage weder klar zu machen noch zu vermitteln ist.
Wer sich für dieses Thema interessiert, kann sich im Internet auf Helmut Witteks Seite www.hauptmikrofon.de allerhand Infos auch aus der Feder G. Theiles herunterladen und durcharbeiten. H. Wittek folgte bei Schoeps J?rg Wuttke nach und arbeitete mehrere Jahre mit G. Theile am IRT in München.
Hans-Joachim |
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