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Aus gegebenem Anlaß - der Beschäftigung mit der Technik des Selectophon T5 - greife ich die Diskussion hier nochmals auf und möchte ganz allgemein etwas zu Reibradgetrieben loswerden:
Die Sorge, eine Platte mit 16 Upm. könnte jaulen, teile ich nun wirklich nicht - warum auch sollte sie das tun?
Mir erscheint es außerordentlich unlogisch, daß ein Getriebe, bei dem der Abtrieb auf rund die halbe Drehzahl reduziert wird deswegen in einen schwankendenden Lauf verfallen könnte. schließlich tut er das auch nicht, wenn er von 78 auf 45 oder gar 33 heruntergeschaltet wird!
Der Garant für eine konstante Tourenzahl ist in allen Fällen - von BatterieGeräten mal abgesehen - die Netzfrequenz. selbstverständlich unterliegt diese auch gewissen Schwankungen, welche eben von der aktuellen Netzlast abhängen; anders ausgedrückt geht die Frequenz in die Knie, wenn auf einen Schlag großverbraucher zugeschaltet werden, mit denen die Generatorleistung in den überlastbereich zu laufen droht bzw. dieser bereits erreicht ist. Dann sind eben nur noch 48 statt 50 Hz ''im Draht'' und der Synchronmotor folgt dieser Frequenz. Das ist allerdings ein Prozeß, der nicht aller Sekundenlang umschlägt - somit bekommt der Hörer davon i.d.R. nichts mit.
Da also die Belastung unseres Motors bei halbierter abgeforderter Leistung keinesfalls steigt sondern sinkt, wäre es nur logisch zu Schlußfolgern, daß das befürchtete Jaulen ausschließlich bei der größten Belastung, also bei 78 Upm und 12" Schellack auftreffen würde. daß es nicht so ist, wissen wohl alle
Es sollte auch bekannt sein, daß bei Reibradgetrieben in Heimtonbandgeräten wie z.B. dem UHER Royal de Luxe sämtliche Transportgeschwindigkeiten, angefangen bei 19,05 cms bis zu 2,38 cms hinunter stets ein absolut sauberer und konstanter Lauf gesichert ist. Und hierbei sind die Lastwechselprobleme ungleich Größer, viel komplizierter zu beherrschen als bei einem doch simplen Plattendreher, der nichts weiter als eine einzige einfache Drehbewegung ausführen muß. Vielfach komplizierter scheint es da beim Selectophon zu sein, welches ja eine Platte zugleich mit einem Magnetband antreiben muß - wenigstens dann ,wenn die Platte auf das Band überspielt werden soll. daß so eine Anforderung durchau zu bewältigen ist, hat seit 1951 die MTG-Baureihe aus Staßfurt, Rochlitz und schließlich Thalheim unter Beweis gestellt. Allerdings mit einem recht beträchtlichen Aufwand an ''Eisen''. Das Selectophon, welches von seinen Erfindern als Tonbandgerät bezeichnet wird, geht einen anderen, einfacheren und darüberhinaus recht ungewöhnlichen Weg indem es zu Gunsten einfachster Handhabung und größtmöglicher Laufzeit auf ein 35 mm breites, endloses Magnetband mit 70 kontinuierlich ineinanderübergehenden Spuren setzt. Dieses Band befindet sich in einer ''Buchkassette'', funktioniert also prinzipiell so wie eine Schallbandkassette des Tefifon, auf der man aber nichts aufnehmen kann da sie einen mechanischen Tonspeicher enthält. Anders als bei klassischen Bandgeräten gibt es hier also keine zwei Wickelk?rper mit sich ständig wechselnden Drehmomenten / Belastungen des gemeinsamen Antriebes.
Neben der Funktion als Magnetbandgerät können auf dem T5 auch die gebr?uchlichsten Schallplatten, also 78-er Normalrille sowie 45-er und 33-er Microrille abgespielt werden. Der Plattenteller wird dazu auf die Tonwelle aufgesteckt, was den Synchronlauf mit dem Magnetband bedingt. Auf diese Weise werden etwaige Drehzahlabweichungen beim überspiel "mitgenommen", die Wiedergabegeschwindigkeit entspricht somit stets der Aufzeichnungsdrehzahl der Platte. Bei der geringsten Plattendrehzahl von 33 Upm erfährt das Magnetband einen Vorschub von 8,5 cm pro Sekunde und wenn man den Apparat noch eine Stufe, auf 16 Upm, herunterschalten würde, ergäbe sich eine Bandtransportgeschwindigkeit von rund 4 cm pro Sekunde. Mit modernem Bandmaterial und entsprechendem H?rkopf sowie angepaßter Elektrik kann damit die Hifi-Norm ohne Probleme erreicht werden. Freilich nicht mit so einer wuchtigen Buchkassette!
Drehzahlschwankungen solch hoher Frequenz, daß sie ein hörbares Jaulen erzeugen, sind schlicht auf technische Mängel / Fehler zurückzuführen aber keinesfalls als prinzipbedingt einzustufen.
Das würde sich etwas anders ausnehmen, wenn die Drehzahlen alleine durch eine Polumschaltung eines müssentsprechend konstruierten Motors vorgenommen werden würden. Allerdings kenne ich keinen Motor mit vierfacher Umschaltung! In unseren Fällen dagegen bleibt die Motordrehzahl immer die gleiche! Die mechanische Untersetzung sorgt dabei für eine mit abnehmender Drehzahl des Plattentellers geringer werdende Belastung und darüberhinaus sind die sich drehenden Massen des gesamten Getriebes als Speicher der kinetischen Energie ein optimaler Puffer kurzzeitiger Lastwechsel die sie durch ihre MassenTrägheit elegant kompensieren.
Das alles beantwortet nicht die Frage, warum sich die 16 Upm nicht am Markt durchsetzen konnten.
Ich meine, daß es dafür weniger technische sondern vielmehr monetäre Gründe gab.
Schauen wir in dieses betreffende Zeitfenster, dann erblicken wir drei konkurrierende Nadelsysteme die sich im 5. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, bis zum Beginn der Sechziger noch ein Kopf an Kopf Rennen liefern: Normalrille, Microrille und Picorille. Zwischen 55 und 65 wurde die Normalrille in Mitteleuropa zu Grabe getragen; DSP Berlin stellte im Laufe des Jahres 1964 die Schellackpressungen ein, in Westeuropa geschah das etwa zehn Jahre zuvor und in Osteuropa wurde auch in den 70-ern noch in Normalrille produziert, wenngleich auch dort die Mikrorille längst das Rennen für sich entschieden hatte.
schließlich bliebe noch die Picorille zu erwähnen - mehr nicht. Sie hätte sollen der Microrille Konkurrenz machen doch zum Glück versagte man sich diesen Fehlschu? gar bald. Die Zeit hatte schlicht die Entwicklung der Tonspeichertechnik überholt. Das Argument der längeren Laufzeit zu Lasten der TonQualität konnte nicht mehr greifen da es inzwischen die Magnettongeräte geschafft hatten in die Wohnstuben einzuziehen. Aus diesem Grunde war es auch nicht notwendig, einen dreifach umschaltbaren Tonabnehmer konstruieren zu müssen
Die Microrillenplatte mit nur 16 Upm sollte wohl der Picorille den Acker pfl?gen, daraus wurde nichts und so bleiben uns heute nur sehr wenig erhaltene Artefakte aus dieser kurzen Zeitspanne. für mich, der eigentlich nichts anderes als viertourige Laufwerke aus dieser Epoche kennt ist es immer wieder erstaunlich, daß das anderswo auf UnVerständnis stößt. Aber so ist es eben - für mich stieß es lange Zeit auf ebensolches UnVerständnis, daß man moderne Plattenspieler auch mit 78 Upm versieht ohne daß es Normalrillennadeln für die in diesen Geräten verbauten Tonabnehmer gäbe. daß Mikrorille auch mit 78 geschnitten wird, habe ich erst hier erfahren. Naja, bin eben kein Plattenfreak
Hans-Joachim könnte das ganz sicher viel pr?ziser darlegen als ich es vermag. Mal sehen, vielleicht schaut er in den nächsten Tagen hier mal herein. |
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