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Autor: MGW51 Verfasst am: 16.11.2011, 13:58 Betreff: MGW MTG24 - Härtetest oder wer gut schmiert . . .
Gleich vornweg:
Was folgt ist keine Gerätebeschreibung wie man sie wohl erwarten kann. Ich gehe einfach davon aus, daß diese Geräteserie in weitestens Kreisen als solche bekannt ist, Unkenntnis herrscht eher in vielen Details was einmal der langen Bauzeit (bis 1957 Exclamation ) und damit einer entsprechenden Stückzahl und Verbreitung mit den unvermeidlichen Änderungen in der laufenden Fertigung zu sehen ist. Ein anderer, eigentlich der Grund schlechthin ist der eher abartigen, vor allem unausgegorenen Konstruktion von Anbeginn geschuldet. Dazu muß man bedenken, daß das MTG eine Entwicklung aus dem Jahre 1950 ist. Warum es über die Jahre nie richtig zufriedenstellend funktionierte liegt zu einem erheblichen Teil an den nicht wie gewünscht vorhandenen Rohmaterialien. In erster Linie ist hier ein Stoff zu nennen, der gemeinhin als Gummi bezeichnet wird. Mit diesem "Zeug" hatte die gesamte DDR-Wirtschaft bis zum letzten Tage Probleme über Probleme. Diese Gerätelinie wurde ursprünglich unter der Bezeichnung BPG190 mit Omegaantrieb, ausschließlich als Einbauchassis ohne eigenes Netzteil, entwickelt. Als Antriebsorgan tut dort ein konventioneller Plattenspielermotor mit eingebautem Winkelgetriebe seinen Dienst. Auch das MTG19 und die Rochlitzer MTGs laufen noch mit so einem, auch als Hauptstrommaschine für AllstromGeräte gefertigten, Getriebemotor welcher wohl eine auftragsgemäße Spezialentwicklung des Leisniger Motorenwerkes gewesen ist.

Soviel zur Vorgeschichte. Im Folgenden werde ich nach und nach einige Beiträge anhängen, worin es sich um spezielle konstruktive Eigenheiten dieser Gerätefamilie dreht. Den Stoff dazu liefern u.a. Reparaturen, welche ein wenig anders verlaufen (müssen) als das von Heimtonbandgeräten meist erwartet wird. Speziell zur Unterscheidung der einzelnen Typen kann ich nur auf den Magnettonkatalog in unserer Galerie verweisen. Dort sind sehr viele Details mit Hilfe des umfangreichen Bildbestandes von Geräten, die zumeist dem enormen Fundus des Musikschranksammlers Winfried entstammen, zu erkennen.


Hier nun habe ich mal ein paar Bilder herausgesucht, die ich anl?Ölich eines etwas extremen Zustandes gemacht habe. Dabei handelt es sich um eine Topas-Schatulle mit dem 24-er Chassis, welche seinerzeit für 16 Euronen bei Ihbee auf dem Tisch stand. Da bei solchen Gerätschaften ein Versand nahezu immer tödlich endet - weil es den Ihbeeverk?ufern schlicht egal ist was der Kunde letztlich auspackt - und die Kiste in erreichbarer Entfernung stand, war es nur notwendig, den Anbieter auf Selbstabholung zu fixieren (was dieser erst nicht wollte, weswegen ich schon mit einem Tr?mmer rechnete!) worauf er sich letztlich aber doch einließ.

In der Offerte wurde das Teil als "hat bis zuletzt funktioniert" beschrieben, ein sehr dehnbarer Begriff Exclamation

Der äußere Zustand war durchaus noch akzeptabel - ein paar Schrammen auf den Wangen und dem Deckel kann jeder "Holzwurm" ausbessern; das Zubehör - Kristalltischmikrofon, Kopfhörer, 10" Plattenteller und Leerspule - war fast vollständig, am Mikro fehlte allerdings der HF-Stecker

und der ist heute nahezu unbeschaffbar! Mit geringem Aufwand kann man sich dennoch behelfen. Dazu genügt ein guter Exclamation klassischer Bananenstecker mit einer aufschraubbaren GriffhÖlse aus Bakelit. Der Kontaktstift hat die gleichen Abmessungen wie jener des HF-Steckers! Die BakelithÖlse muß nur mit einem Stück Messingrohr (wegen der guten L?tFähigkeit) entsprechend verGrößert werden. Statt der Knickschutzfeder nimmt man eine simple GummitÖlle. Den oberen Abschluß bildet eine entsprechend große und aufgebohrte Hutmutter. Das Gewinde wird weitgehend ausgedreht und der äußere Sechskant gr??tmöglich verrundet. Der Hutteil wird in einem Durchmesser aufgebohrt, der die KnickschutztÖlle geradeso stramm durchstecken läßt. Das was mal eine Mutter war, kann zum Abschluß entweder auf das RohrStück geklebt oder gelötet werden. Man kann auch die Mutter mit einer Querbohrung versehen und in der HÖlse ein kleines Gewinde einbohren. Dann läßt sich das mit einer Madenschraube l?sbar verbinden. Am besten ist das alles mittels Drehbank möglich - findige Bastler kommen aber auch mit einer simplen Bohrmaschine zurecht.
Als schlechteste Lösung sehe ich den Ersatz der HF-Buchse durch eine neuzeitlichere Diodenbuchse an. Bestenfalls könnte man noch eine Monoklinke in Betracht ziehen. Dann muß aber auch das Mikrofonkabel gegen etwas moderneres getauscht werden denn dieses hat im Original einen Durchmesser von 6 mm und ist damit in der Größenordnung von üblicher drehrunder Netzleitung! Mit einem handelsüblichen Klinkenstecker geht das also nicht!
Hier mal ein Foto des Leipziger Kristallmikrofons KM/T 7153:


Nun zum MTG selbst:
Eine erste Sichtung vor Ort ergab, daß wenigstens ein Wickeltrieb beschädigt ist, daß die Tonwelle deutlich schwergängig bewegt werden kann, eine EF 14 mittels selbstgebasteltem Zwischensockel mit einer Miniaturröhre EF86 substituiert wurde. Eine Werkstatt hätte sowas nie gemacht. Es gab zu allen Zeiten industriemäßige Zwischensockel um die veralteten Stahlröhren mit modernen Miniaturröhren ersetzen zu können; in dem Falle EF14 mit EF80!

Gut, der Preis gab letztlich den Ausschlag denn um 2 x 200 km zu fahren, lohnt es nicht mit leeren Händen eine Ersparnis von 16 Europel abzurechnen Smile Also die Klamotte eingeladen !

Hier in der Werkstatt stellte ich dann auch die Ursache der Schwergängigkeit fest - sie war gepaart mit einem großen seitlichen Spiel, anders gesagt, das Schwungrad mit der Tonrolle ließ sich mehrere Millimeter in alle Richtungen kippen Shocked Wie geht das denn? Normalerweise garnicht!

Die Tonwelle sitzt in einer ca. 25 mm langen Gleitlagerbuchse. Der Lagerzapfen hat einen Durchmesser von 14 mm und ist unten auf 12mm verj?ngt. Dort wird das riesige Schwungrad aufgesteckt und gegen herabfallen mit einer M10x1 Feingewindemutter gesichert. Eine Querbohrungin der Welle sort mittels Pa?stift für den FormSchluß mit dem Radk?rper. Die Sintereisen-Lagerbuchse ihrerseits steckt pa?genau in einer 24mm großen Bohrung in der Chassisplatte und liegt dort mit ihrem 30mm großen und 3 mm dickem Bund überstehend auf. Sie wird von oben mittels einer ausgedrehten Druckscheibe und drei M4 Senkschrauben fest auf das Aluminiumchassis gepre?t. Die Tonwelle selbst läuft mit ihrer oberen Bundfl?che auf dem Bund der Buchse. Die Welle kann und muß in regelmäßigen Abst?nden geölt werden Dazu ist sie im Bund mit einer Schmierbohrung versehen, welche durch die aufgepreßte, ca. 5 cm große Aluminium-Tonrolle durchgebohrt ist.

Nun hat LeinÖl die unangenehme Eigenschaft, mit dem Luftsauerstoff zu oxidieren und so eine knochenharte, nahzu unl?sbare Verbindung mit dem Untergrund einzugehen. In dem Falle also wurde die Tonwelle mit der Lagerbuchse nahezu vollflächig verklebt. Das dann wieder in Bewegung zu setzen schafft kein Tonbandmotor! Dazu muß man schon kräftig am großen Rad selbst drehen. Aber vorher läßt man den Motor erst noch ein wenig auf dem Radgummi radieren Evil or Very Mad

Im Saldo bewegt sich dann das Rad samt der Tonrolle wieder und bei jeder vollen Umdrehung macht es "Plopp" - so läßt sich die Raddrehzahl gut auf ihre 78 Upm kontrollieren. Einfach genial wacky

In Bildern schaut das Ergebnis wie folgt aus:




Und natürlich findet sich dann überall in der Kiste jede Menge Dreck in Form von Aluminiumsp?nen mit Schmierstoffkleister.



Ja, wie schrieb doch der Verkäufer in sein Angebot: Hat bis zuletzt funktioniert.
Und das war ja auch nichtmal gelogen wacky



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