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Lieber Hanns-D.,
will man erschöpfend antworten, nimmt das relativ schnell umf?nglichee Dimensionen an, weil die über die frühe Zeit des Magnetofons bzw. des frühen hochwertigen Magnetofons vorauszusetzenden Kenntnisse heute zumeist Grenzen haben.
Dr.-Ing. Hans Schepelmann war der Verkaufsleiter Magnetofon bei der AEG und wurde im Dezember 1942 gemeinsam mit Friedrich Mathias von der IG Farben, Ludwigshafen zum Geschäftsführer der "Magnetophon GmbH" bestellt (deren Aufgabe und Stellung zur AEG ich jetzt nicht diskutiere). Seine Rolle vor Ort am 10. Juni 1941 ist damit klar.
Schepelmann gehörte der SS an und musste nach 1945 etwas kürzer (und leiser) treten, taucht aber bei der Nachkriegsfirma Telefunken wieder auf. Wann er das Zeitliche segnete weiß ich leider nicht. Derlei sollte aber zu eruieren sein.
Er demonstrierte in seiner Rede am 10. Juni 1941 die Leistungsfähigkeit des neuen Systems auf interessante Weise, denn er hielt von Zeit zu Zeit in seinem Vortrag inne, um die fehlenden Worte 'einspielen zu lassen' wie ein Bericht in der Zeitschrift "Rundschau deutscher Technik" (19.Juni 1941) darlegt. Leider ist die gehaltene Rede nicht erhalten.
Von Dr. Hans Heyne (das war im Repro nicht mehr ordentlich zu lesen) weiß ich, dass er 1900 geboren wurde und schon als junger Mann in die Geschäftsleitung der AEG als "Hauptassistent der Fabrikoberleitung" einr?ckte. Als solcher wird er nicht gerade an die Fahrleitung gefasst haben, um die E 19 ans Laufen zu bekommen, denn 1942 finden wir ihn inmitten der AEG-Geschäftsleitung, wo ihn 1944 das Ritterkreuz ereilte. Das brachte auch für ihn nach 1945 allerlei ruhigere Tage mit sich, was sich aber in den 1950ern signifikant änderte, denn auch er trat wieder in die Geschäftsleitung der AEG ein, aus der man ihn aber wegen seines mitunter zum Despotismus neigenden Naturells 1966 endgültig ausmendelte.
Richard Schmidt von der Filmtechnischen Zentralstelle (eines der vielen Zentral?mter jener Tage, die zwischen 'betrieblicher Praxis und der Industrie angesiedelt waren und uns HEUTE so drückend fehlen) war ein ehemaliger AGFA-Mann (noch lange vor deren Magnetbandfertigung!), entstammte also der Filmbranche, die 1941 mit dem minderwertigen Lichtton von Farbfilmen kämpfte, weshalb sein Vortrag sicher dieses Problem behandelte.
Erna Sack, geb. Weber (1898-1972) war eine bedeutende Koloratursopranistin jener Tage, die endlos auf Platte aufnahm und die Abtaster unserer V?ter nicht minder endlos krachend gl?hen ließ.
Heinrich George galt nicht nur als ein Suffkopp (so schreibt Carl ZUckmayer), sondern auch ein begnadeter Schauspieler -Nazizeit hin oder her- und als solcher Vater des gleichnamigen und allen geläufigen G?tzen. Heinrich George starb schon 1946 -ich glaube sogar als Internierter-. Von ihm existiert auf Platte eine 11 Jahre ältere Aufnahme jener "Anekdote" Heinrich von Kleists, die die damals -nicht nur in Deutschland modische- faschistische Ideologie so gänzlich anders interpretierte als wir heute. Indes sieht es bei uns heute mit Ökonomiefaschistoiden Moden quer durch die Presselandschaft nicht anders aus. Wir haben keinen Grund, vom hohen Ross herunterzublicken, sondern täten gut daran, langsam auch vor unserer Tür mit der Kehrwoche zu beginnen, ehe unsere Kinder und Enkel UNS mit Vorw?rfen kommen, die wir unseren Eltern machten.
Liest man den oben angesprochenen Aufsatz in der "Rundschau deutscher Technik", drängten sich da wohl doch mehr Leute in den Saal des UFA-Hauses am Bahnhof Zoo als ursprünglich geplant, denn man sagt, dass er voll besetzt gewesen sei. Drei Euronor-Lautsprecher lassen überdies annehmen, dass der Saal nicht das kleinste Kino im Ufa-Haus gewesen sein kann. Zudemmüssen wir bedenken, dass die Akustiker schon damals wussten, was ein elektrischer Dynamikbereich von 60 dB an Wandlungsaufwand fordert und mit welchen Schwierigkeiten man rechnen musste, um das mit den Mitteln der Zeit ad?quat in Szene zu setzen. Man befand sich mit dem Magnetofon ja 'ganz oben'...
Euronor war das Lautsprecherprogramm von Siemens/Klangfilm, das in hohem Grade auf interessante technische Lösungen für Lichtfilmtheater setzte. Die Wattgigantomanie hatte damals ja durchaus noch erhebliche Probleme. 1 KW im Kino? Pustekuchen! Das war etwas fürs Reichsparteitagsgel?nde.
Zur Lekt?re empfehle ich einen Besuch auf der tollen Klangfilmseite: http://klangfilm.free.fr/index.php
Als erstes Foto sieht man gleich einen großen Euronor, der aber sicher nicht eingesetzt wurde, denn sein Trichter ist von mehrfacher MannsGröße....
Die Originalaufnahmen wurden ohne große Sorgfalt erstellt und strotzen vor Fehlern und Missgriffen der Musiker. Sichtlich stellte man das Mikro auf, ließ musizieren, und das war es dann. Selbst der nicht einwandfreie Schluss des Variationssatzes aus dem Forellenquintett Franz Schuberts wurde nicht vervollständigt oder ausgebessert. Man war sich des durchschlagenden Erfolges der Vorf?hrung offenbar (und gerechtfertigt) absolut sicher. Die Aufnahmen stammten vermutlich von der Telefunken-Platte, wenn nicht die AEG selbst Hand angelegt hatte. Lediglich der Satz aus der Brahms-Symphonie am Schluss soll vom Reichsrundfunk aufgenommen worden sein, ist heute aber restlos verloren.
Alle anderen Aufnahmen existieren in Kopien aus dem Besitz von Ufa-Leuten aus der ersten Reihe, die damals wohl die Hand aufhielten. Die Originale sollen bis in die 1960er Jahre vorhanden gewesen sein, bis sie -wie mir Heinz Thiele einmal zwischen Tür und Angel sagte- "auf einem Postversand verloren" gingen.
Ich verfüge über eine Kopie des erhaltenen Materiales vom 10. Juni 1941 -ohne die unbekannten Reden und den Brahms, der in keinem der nachweisbaren überlieferungsstr?nge auftaucht. Dieses Band ging also entweder schon sehr bald verloren oder wurde vom "großdeutschen Rundfunk" zur Vermeidung von Missbrauch zurückgefordert.
schließlich:
Am 10. Juni 1941 wurde keine Aufnahmesitzung abgezogen, sondern allein gespeichertes Material vorgeführt, da nur die Leistung des Speicherverfahrens demonstriert werden sollte. Es ist dies damit der Augenblick, in dem die hochwertige mediale Speicherung beginnt, öffentlicher Besitz zu werden, die klassische technische Qualitätsforderung auf die moderne selbstverständlichkeit zusteuert.
übrigens hatte insbesondere der Reichsrundfunk in den folgenden sechs Monaten hinsichtlich des Umganges mit dem Magnetband (Entzerrung!) noch erheblich dazugelernt, wie die frühesten archivierten Aufnahmen vor der Betriebseinf?hrung des Magnetofons (01.01.1942) ebendort zeigen. Das, was am 31.12.41 von Karl Schmidt-Walther und Michael Raucheisen aufgenommen wurde (und im Original beim Deutschen Rundfunkarchiv erhalten ist), nimmt einem den Atem.
Hans-Joachim |
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