Treffpunkt der Interessengemeinschaft Übersicht -> TONTECHNIK, Akustik & Musikelektronik
Autor: Nils Verfasst am: 05.08.2006, 21:19 Betreff: Kopfh?rer vor 1950
Hallo Freunde,

mich würde mal interessieren, ab wann und welche Kopfhörer es so vor 1950 gab, die eventuell schon zum Musikhören gedacht waren.

Ich kenne nur die üblichen 2x2000 OHM-Kopfhörer, besser gesagt Pr?fkopfh?rer! Musik ist recht unerträglich mit den Dingern !

Gab es in den Zeiten schon Besseres ?

Ihr wisst sicher mehr.... Smile

Gruß, Nils


Autor: GeorgS
 Verfasst am: 09.08.2006, 21:14 Betreff:
Hallo Nils,
ohne Anspruch auf "Wahrheit" will ich mal deine Frage
aus meiner persönlichen Sicht beantworten.
Es gab bis ca 1950 nur die klassischen "Kopfhörer"
die vom Telefon abstammen und im Bereich Funk gebraucht
wurden, die meinst du wohl mit "Pr?fh?rer"?
In den 50ern kamen dann leichtere Hörer im Zusammenhang
mit H?rGeräten und Diktiergeräten auf, teilweise auch für
Vermittlungspl?tze.
Diese Dinger waren aber auch im wesentlichen für
Sprachwidergabe gebaut.
Das waren meist Kristallh?rer.
Die ersten Hörer mit "HiFi"-Anspruch gab es
ca 62 von Sennheiser und AKG, daran kann ich mich
einschließlich der Werbung noch gut erinnern.
Ich kaufte mir damals so ein Ding und baute mir einen Impedanzwandler
mit ECC82 (?) das war
für meinen Schülergeldbeutel gerade noch erträglich.
Gruß
Georg


Autor: Phonomax Verfasst am: 10.08.2006, 20:53 Betreff:
Lieber Georg,

obgleich ich gerade von Kopfhörern zur frühen Rundfunkzeit keinerlei Ahnung habe, insofern also einiges für die Korrektheit deiner Sicht spricht, gibt es doch auch Evidenzen in die andere Richtung, selbst wenn sie die Kopfhörerfrage nur indirekt beröhren.

Die Reichsrundfunkgesellschaft (oder hier richtiger: der "großdeutsche Rundfunk") hatte schon lange vor der Betriebseinf?hrung der Magnetophone legendäre "Opernabende" im Programm, bei denen von den Spezialplatten der RRG komplette Opern unterbrechungsfrei über einen ganzen Abend hin gesendet wurden. Dafür mussten natürlich im Schnitt etwa alle drei Minuten zwei Laufwerke synchronisiert und umgeblendet werden, alte Platten ab- und neue Platten (diese liefen übrigens von innen nach außen) bereitgelegt werden, was zwei, möglicherweise drei Tontechniker den Abend über -physisch und psychisch- ordentlich auf Trab hielt. Man stelle sich des Herrn Wagner 'Meistersinger' zusammengeStückelt aus Drei-Minuten-Inkrementen vor, was 90 Plattenseiten zu im Schnitt 3 Minten entspräche....

Diese Synchronisation lief nun so, dass der zuständige Tontechniker die über den Sender laufende Übertragung aus einem Monitor hörte, das zu synchronisierende Signal (die Plattenmodulationen überlappten etwa dreissig Sekunden) aus dem lose aufgesetzten Kopfhörer. Das Laufwerk mit dem neuen Signal wurde nun innerhalb jener 30 Sekunden mit dem laufenden zusammengebracht und im Augenblck der erreichten Synchronität umgeblendet: Wagner erhielt weitere drei Minuten Gnadenfrist.

Nachdem die Monitore der RRG schon in der frühzeit der Lautsprecherwiedergabe (also etwa 1929/30) sehr hochwertig waren, würde für die geschilderten Zwecke der magnetdynamische 2kOhm-Kopfhörer sehr negativ aus dem Rahmen fallen. Die Lautsprecher der frühzeit reichten beispielsweise hin, um Georg Neumann bezüglich eines Frequnezgangmangels seines legendären Kondensatormikrofones CM3 (1928) unter Druck zu setzen, das noch heute mithält. Die Erstversion der Kapsel (Kugel, "M1" bei der RRG) wies der RRG oberhalb von 6 kHz eine zu starke Anhebung auf, weshalb man Vorschläge machte, wie das Frequenzverhalten des Mikros zu verbessern wäre, was 1932 zur Betriebseinf?hrung der Kapsel "M1a" führte, deren Frequenzverhalten zur G?nze den heute üblichen, diffusfeldentzerrten DruckEmpfängern gleicht. So genau hörte man. Ich vermute einstweilen einmal, dass man auch bei hochwertigeren Kopfhörern mit vergleichbarer Sorgfalt vorging und sich Gedanken zur klanglichen Verbesserung machte, obgleich man dabei rrg-spezifisch sicher sehr bald auf die technischen Klippen der Konstruktion hochwertiger Kopfhörer gestoßen sein dürfte.

Meine -auch zeitgenössische- Literatur gibt zum Kopfhörer im hier interessierenden Rahmen leider nichts her. Ich habe mir aber bereits vorgenommen, dazu einmal herumzufragen.

Hinsichtlich der erreichten LautsprecherQualitäten sei an Hans Eckmillers Koaxlautsprecher O15 von 1943 erinnert, der im zugehörigen Abh?rschrank der RRG schlicht und problemlos HiFi-Ansprüche befriedigt.

Hans-Joachim


Autor: GeorgS
 Verfasst am: 11.08.2006, 12:03 Betreff:
Hallo Hans-Joachim,
bin gespannt, ob du da noch was herausfindest.
Zum "magnetdynamische 2kOhm-Kopfhörer" noch zwei Anmerkungen.
Es geht um das Strickmuster des Hörers, die gab es
von ca 60 Ohm im Telefonbereich bis 4 Kohm für
Detektorempfang. für die WidergabeQualität ist das
belanglos.
Dieses Prinzip (Eisenblechmembran) heißt nicht
magnetdynamisch oder sonstwiedynamisch. Wann die
ersten dynamischen H?rkapseln bei der Post auftauchen,
kann ich dir momentan mangels Unterlagen nicht sagen,
jedenfalls um etwa 1960. Ich habe den Verdacht, daß
die Entwicklung dieser dynamischen H?rkapseln Pate
für die hochwertigen Hörer ab den 60ern stand.
Der klassische Hörer mit Blechmembran heißt
korrekt "Telefon", so durch Bell benannt.
Da leider seit den 20ern unter dem Laienvolk
die Unsitte aufkam, - pars pro toto- , den ganzen
Fernsprechapparat als Telefon zu bezeichnen,
ist das schwierig seitdem.
Was du da über die Qualität der Lautsprecher der
frühen 30er schreibst, das darf aber kein HochEnd-Gl?ubiger
lesen, der dürfte das als Sakrileg empfinden.
Aber wahr bleibt es trotzdem, außer den nichtabwickelbaren
Membranen ist kaum etwas nennenswertes dazugekommen.
Gruß
Georg


Autor: TipFox Verfasst am: 11.08.2006, 12:42 Betreff:
Ich kann zwar auch nicht das genaue Jahr sagen, aber dynamische Kapseln in Telefonen gab es definitiv _vor_ 1960. Selbst im W48 war bereits eine dynamische Kapsel. Ich schau aber noch mal in meine Ausbildungsunterlagen - evtl. gibt es da irgend einen Hinweis.


Autor: Nils Verfasst am: 11.08.2006, 13:16 Betreff:
Vielen Dank für Eure Mühen und interessanten Hinweise, Freunde !

Ich denke auch, daß doch z.B. der Aufnahmeleiter bei Schallplattenfirmen, oder beim Matritzenschneiden etc pp, sicher einen etwas besseren Kopfhörer hatte, als jene mit Blechmembran.

Daher interessiert es mich einfach, ob es früher schon einen " Genuss-Kopfhörer " gab. In welchem Bereich auch immer.

Gruß, Nils

Nachtrag:
Jürgen, ich habe mal in meiner Telefonkiste nachgeschaut und habe zumindest eine Hörerkapsel mit Datum von 1954 mit Plastikmembran gefunden.
So eine habe ich auch in mein schönes Siemens W 28 von 1938 eingeschraubt, weil das ja noch nicht "entknackt" ist und die Schaltgeräusche bei Kapseln mit Blechmembran doch recht unangenehm für das Gehör sind... Smile


Dieser Beitrag wurde am 11.08.2006 - 12:22 von Nils aktualisiert


Autor: TipFox Verfasst am: 11.08.2006, 13:41 Betreff:
Ich konnte leider keine genauen Daten finden, aber zumindest habe ich mal etwas über die verschiedenen Typen von magnetischen Kapseln gescannt:



@Nils: der "Knackschutz" (="Gehörschutzgleichrichter") besteht intern nur aus 2 gegeneinander geschalteten Dioden mit etwa 1,5...2V Durchlassspannung und ist parallel zur Hörkapsel angeordnet. Aus 4 Standard-Silizium Dioden könntest Du Dir so etwas leicht in den alten Hörer einbauen...

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z.B. 4* 1N4007
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