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Gute Nacht,
der Moderator bat mich, durch die Einf?gung meines Beitrages vom heutigen Morgen der Jungfr?ulichkeit der hier einstweilen noch leeren Seiten abzuhelfen, was nun erfolgt:
Zitat: | Zwei Dinge brennen mir auf den N?geln,
denn zum einen wurde der Schneidkennlinienentzerrung bislang nur periphere Aufmerksamkeit gewidmet, zum anderen entstammen die hier mehrheitlich genannten Schellacks ausnahmslos der Epoche sog. elektrischer Aufnahmen. Nachdem wir heute mit wenig Geld und Standardaufwand in der Lage sind, damalig professionelle Qualitätskategorien zu erreichen, sollte man vielleicht diese Perspektive verfolgen, selbst wenn der Reiz nicht zu verachten ist, einem mechanischen 'Grammo'-Phon zu lauschen.
Die Schneidkennlinien zu übergehen, sich also RIAA (oder DIN) auszuliefern, 'maltraitiert' fast immer die in den Schellacks vorhandene Modulation/Information, selbst wenn es 'ungefähr' soviele Ver- bzw. Entzerrungen gab wie Hersteller, die zu allem überfluss mit der Höhenver- bzw. -Entzerrung notorisch hinter dem Berg hielten, weil dies für den individuellen 'Firmenklang', bzw. das Verhalten der Platten auf den jeweiligen 'Laufwerken' beim Kunden von Bedeutung war. Nachdem damals die Tiefen tendenziell geringer verzerrt wurden als heute, sorgt RIAA/DIN für nicht unerhebliche und hörbare Verbiegungen.
EMT legte früher seinen 78-tauglichen Laufwerken eine Liste mit simplifizierten Entzerrungshinweisen bei, die zwar nur zwei Filtereckpunkte enthielten (normalerweise bediente man sich derer drei), dennoch aber Anhaltspunkte liefern konnte, in welche Richtung welcher Hersteller tendierte. Dabei ist natürlich von den individuellen Maßnahmen bei der überspielung abstrahiert worden, die sich von Platte zu PLatte bzw. von Aufnahmesituation zu Aufnahmesituation unterschieden; da wird ja bis heute (bei der überspielung) nachhaltig getrickst, um so manche Sache so in die Rillen zu bekommen, dass sie nachher auch wieder 'rausgehen.
Ein ehemaliger EMT-Mann hat diese Schneidkennlinien-Listen ins Netz gestellt:
http://www.hans-fabritius.de/emt/radius_und_eq.pdf
Ich halte mich nicht Erfolglos daran, was allerdings eigene technische Lösungen für die betriebspraktische Realisierung nahelegte, denn ein Audio-Technica-65?-System wird bei mir an einem linearen Nachverst?rker betrieben, den ich aus einem Kanalzug eines professionellen 2-fach-stereo-Entzerrerverst?rkers herstellte, dessen einen Stereozug ich unter Wahrung der 47 KOhm-Eingangsimpedanz von den frequenzgangbestimmenden Kondensatoren befreite. Die Entzerrung erfolgt jetzt im nachgeschalteten (digitalen) Mischpult, das die notwendige Genauigkeit mit links bereitstellt. Ein Filter im Summenzug erlaubt das Einziehen eines Nadelger?uschfiilters nach individuellem Gusto, einmal abgesehen davon, dass auch noch andere Hilfsmittel (bis hin zu einem Sequoia-Rechnerplatz) zur Verfügung st?nden, suchte ich danach. Denn auch ich meine, die Schellackplatte ist eben eine Schellackplatte, ihre Eigenger?usche gehören zum Lebensgef?hl jener Tage, die das Medium eben auch als Information transportiert.
Mit den geschilderten Mitteln lassen sich dann Annäherungen auch an eine qualitativ hochwertige Wiedergabe erreichen, die nicht zuletzt bei Aufnahmen von definitiv Verklungenem interessante Einsichten ermöglichen. Ich denke hier beispielsweise an die Aufnahmen, die Fritz Heitmann 1938 an der Arp-Schnitger-Orgel der Eosanderkapelle des Charlottenburger Schlosses machte und mir Detailvorstellungen vom im zweiten Weltkrieg verbrannten Instrument vermitteln. Ob die heute dort stehende Rekonstruktion auf die damaligen Aufnahmen ebenso zurückgriff wie Werner Lottermoser auf die RRG-Magnetbandaufnahmen von 1943/44 aus der Frauenkirche, Dresden, weiß ich nicht. möglich wäre dies gewesen, die Qualität der seinerzeitigen Mikrofonierung ist recht hoch.
Meine Schellacks sind ein Restbestand der Sammlung meines Vaters, nachgekauft habe ich praktisch nichts. Mancherlei ging bei unseren Umzügen verloren, ein Großteil jener Sammlung meines Erzeugers fiel -geringfügig vor meinen Tagen hinieden- einem Bombenvolltreffer in Berlin zum Opfer. Nachdem mein Vater schon seit Beginn der 1930er Jahre in die "elektrische Wiedergabe" einstieg, dürften die vorhandenen Platten ausnahmslos trichterfrei wiedergegeben worden, also 'vergleichsweise gering' verschlissen sein. Dennoch: Eine etwa auf 1930 zu datierende Messplatte, die einmal bis zu den rrg-symptomatischen 10 kHz hinaufreichte, prasselt ab etwa 8 kHz die Nutzmodulation derart zu, dass man dort nicht mehr viel ableiten kann. Vielleicht versuche ich diesbezüglich noch einmal eine Fast-Fourier-Analyse, über die man dann vielleicht doch noch auf den originalen Schneidfrequenzgang schließen kann. Dann hätte ich wenigstens einen definitiven....
Hans-Joachim |
Nachtrag: Die oben erwähnte Messplatte ("Deutsche Grammophon-Aktiengesellschaft 62687. Mechan. Copt. 1929") ist kopiert und lässt sich über eine FFT-Analyse durchaus sinnvoll auswerten. Dazu muss ich mir aber zunächst noch ein paar Gedanken machen. Wenn dabei etwas herauskommt, erzähle ich dazu etwas.
Dramatisch ist die medien-, nicht aber aufzeichnungsbedingt müßige Pegelkonstanz. Die Pegel sollten daher nur mit Messwerken bestimmt werden, die lange Integrationszeiten (>100ms) aufweisen. Andernfalls wird man verrückt.
Hans-Joachim |
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