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Autor: MGW51 Verfasst am: 20.07.2011, 00:34 Betreff: Federwerkmotor - Antrieb professioneller Tonbandgeräte
Sie sind sehr unterschiedlich, und sie warten zuweilen auch mit überraschungen auf. Eine solche überraschung stellt der Federmotor dar.

Es mutet vielleicht etwas sehr antiquiert da der Laie zumeist meint, einen Federmotor ausschließlich auf das Grammophon, bestenfalls noch auf ein Spielzeug zu beschränken. Dies aber ist ein fataler Irrtum denn z.B. eine NAGRA I mit Federmotor, welche es ab 1951 für gute 1.000 Schweizer Franken zu kaufen gab, war zu keiner Zeit ein Spielzeug und ist es auch heute noch lange nicht.
Zu welch erstaunlicher Leistungsfähigkeit diese Geräte entwickelt wurden zeigt das Butoba 6, welches allerdings nicht als professionelles Gerät sondern für den gut betuchten Amateur entwickelt wurde. Es arbeitet wahlweise mit 9er oder 4er Bandgeschwindigkeit wobei es in diesem "Schleichgang" mit einem einzigen Aufzug eine Laufzeit von sage und schreibe 40 Minuten erzielt! Damit wird eine volle 13-er Spule abgefahren! Der Frequenzgang stößt hier bei gut 4 kHz an seine Grenzen, was einmal auch den damals verfügbarem Bandmaterial geschuldet ist. für ein Butoba mußten um 1958 herum gute 850 DM auf den Tisch gelegt werden. Zubehör - die Kurbel ausgenommen, war extra zu bezahlen; ein Akku schlug dabei schon mit 55 DM zu Buche so daß man für eine vernünftige Erstausstattung locker einen Tausender zzgl. etwas "Kleingeld" veranschlagen mußte. Die sogenannte Mehrwertsteuer gab es dazumal in der BRD auch noch nicht.
Anders als in der Geschichte des Grammophones gab es m.W. reine SpielzeugGeräte - mindestens in Europa - zu keiner Zeit. Was es aber auch gab, das waren verschiedene Bauanleitungen bzw. Baus?tze für Selbstbaugeräte. Auch dazu sind ausführlich dokumentierte Beispiele vorhanden.

Professionelle Geräte erlauben oft eine Wahl der Transportgeschwindigkeit bis hinauf zu 38 cm/s. Da die Motore im allgemeinen mit einer +/- großen Schwungmasse gekoppelt sind, werden die ansonsten unvermeidbaren Gleichlaufschwankungen weitgehend eliminiert.

Federwerk-Tonbandgeräte - eine historisch wie technisch überaus interessante Kategorie professioneller Aufnahmegeräte deren hauptsächlicher Einsatz weltweit bei Funk und Film liegt bzw. lag. Die Antriebe sind entsprechend hochgez?chtet und von einer legendären Präzision die selbstverständlich auch ihren Preis hatte. Die Bezeichnung R 72 verr?t schon, daß es sich um ein in das Braunbuch aufgenommenes Modell handelt, in dem Falle also mit dem Einsatzgebiet als ReportageGerät des Rundfunks.

Wie gut zu erkennen ist, gibt es einen separaten Wiedergabekoffer mit einem eingebauten Lautsprecher. außerdem enthalten ist ein Empfangsteil, Abstimmung erfolgt an der linken großen Kreisskala. Das AufzeichnungsGerät selbst ist mit einem fest eingebauten, hochwertigen Mikrofon ausger?stet. Unter der Mikrogarage ist eine mittels Klappe verschlossenes Staufach für maximal 4 Bandspulen. In der Ansicht des geöffneten Laufwerkes gut zu sehen auch die mit einer R?ckholvorrichtung ausgestattete Kabeltrommel des Mikros. über die vier Schleifkontakte werden die Polarisations- und Signalspannung übertragen. Unübersehbar das große Doppelfederhaus. Die gesamte Konstruktion beeindruckt durch einen sauberen, kompakten und funktional durchdachten Aufbau. Eben wirklich professionelles Gerät!

Geradezu spartanisch ausgestattet aber natürlich von ebenso unverwüstlicher Robustheit gezeichnet ist der legendäre "Tonschreiber c" der Deutschen Wehrmacht, für deren Belange gezielt entwickelt und damit eben auch auf die wirklich wichtigsten Grundfunktionen beschränkt. Ein Glockensignal mahnte dazu den Motor schnellstens nachzuladen oder die Aufzeichnung zu beenden.


Wenn wir zu den Wurzeln vordringen, treffen wir auf das weltweit erste FederwerkTonbandgerät überhaupt: DAs "Käse-Gerät" der AEG von 1936. Anders als seine Nachfolger arbeitet es noch mit offenen Bandwickeln, was eine horizontale Gebrauchslage voraussetzt. Der sonderbare Name resultiert aus der Erprobungsgeschichte dieses Apparates, mit dem erstmals in einem fahrenden Omnibus eine Reportage aufgezeichnet wurde. Der Bus, in dem die Erprobung stattfand gehörte der berliner Firma "Käses?s Rundfahrten"


An allen FederwerksGeräten findet sich eine +/- auffÖlige "Dekoration" in Form einer kreisrunden Schwarz-weiß-Keilfl?che. Mittels einfacher Glimmlampe an 50 Hz betrieben kann so die Geschwindigkeit exakt eingeregelt werden. Das ist ein unverzichtbares Teil bei allen diesen Federmotoren mit mechanischer Drehzahlregulierung. Wir finden das ebenso an sehr vielen Plattenspielern für Nurmalrillenplatten und ebenso natürlich auch an allen AufsatzTonbandgeräten der frühen 50-er.

Entwicklungsmüßig endete die Ära der FederwerkTonbandgeräte 1961 mit dem EM1 von Sony, welches als das letzte, serienmäßig produzierte Modell für professionelle Zwecke anzusehen ist.



In Benutzung waren FederwerkGeräte noch bis in die 80-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, unverzichtbar waren sie bis in die Mittsiebziger beim Spielfilm. Ihr technisches Ende wurde mit der NAGRA III begründet (die aber auch ihren Preis hatte!) - ihre weitere Verwendung, trotz gewisser Einschränkungen, basierte auf der unkomplizierten Handhabung, ihrer Robustheit und großen Zuverlässigkeit unter allen nur denkbaren Umständen. Von den deutschen Marken haben sich vor allem Maihak und Butoba einen legendären Ruf erworben. Tauchen heute derartige Gerätschaften bei Versteigerungen auf, dann sind vierstellige EuroBeträge als normal anzusehen. Man muß schon "nicht wenig verrückt" sein um für praktisch nutzloses Gerät derartig hoch zu löhnen. Mit nutzlos beziehe ich mich dabei auf die privaten Sammler ohne diese Interessengruppe damit in irgendeiner Weise diskreditieren zu wollen!

Alle Bilder stammen aus: Schellin, FederwerkTonbandgeräte, FVH Dessau, 2009. Das Werk im Format DIN A4 sollte im Regal eines jeden Tonbandfreundes, der etwas mehr als eine Anh?ufung erreichbaren technischen Gerätes betreibt, einen festen Platz einnehmen.
Auf weit mehr als 300 reich illustrierten Seiten wird dem Interessierten so eine kleine, exklusive Technikwelt nahegebracht von der man gemeinhin nicht viel mehr als ein paar wenige Namen kennt. Der Abgabepreis von 25 Euronen ist lächerlich gering für den enormen Gegenwert den man allein schon durch die erstklassigen Fotos erhält. Das einzige, was ich an dem Werk bem?ngeln kann ist der Schreibstil, welcher sich grundsätzlich der Vergangenheit bedient. Inhaltlich ist das zwar belanglos, doch irgendwas muß ja auch auszusetzen sein Smile

Hier noch für Interessenten die Bestellnummer nach der jede Buchhandlung dieses Werk ordern kann.

ISBN: 978-3-939197-20-1


Es lohnt sich wirklich!


Autor: 19null5 Verfasst am: 03.08.2011, 00:14 Betreff: Reportofon MMK 6 von 1958
Zitat:
Von den deutschen Marken haben sich vor allem Maihak und Butoba einen legendären Ruf erworben. Tauchen heute derartige Gerätschaften bei Versteigerungen auf, dann sind vierstellige EuroBeträge als normal anzusehen. Man muß schon "nicht wenig verrückt" sein um für praktisch nutzloses Gerät derartig hoch zu löhnen.


Mit etwas Glück gehts auch mit nur "wenig verrückt". Das folgende MMK6 der Fa. MAIHAK habe ich in der Bucht für 300 ? bekommen. für 700 ? (im Feb/11) und 550 ? (im Mär/11) wollte es keiner haben ::bäh::







In dem von Michael erwähntem Buch "Federwerk-Tonbandgeräte" heißt es dazu:

"Das MMK6 war der uneingeschränkte Höhepunkt der Entwicklung professioneller MagnetTonbandgeräte mit Federwerkantrieb - bei der Maihak AG wie auch weltweit."

Viele Grüße aus Istanbul
Hajo



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