Treffpunkt der Interessengemeinschaft Übersicht -> MAGNETTON - TECHNIK & HISTORIE
Autor: 19null5 Verfasst am: 06.06.2011, 01:31 Betreff: Bobbies, Ausführungen und Größen der Wickelkerne
Ein seltenes Stück,
ein Bobby mit 90 mm Durchmesser:




Er ist aus Alugu?. Auf der Innenseite ist zu lesen: R48'


Autor: MTG20 Verfasst am: 06.06.2011, 01:45 Betreff:
Die Bobbies mit R- Bezeichnung waren doch speziell für den Rundfunk. Sind Metallwickelkerne aus Wolfen mit dem Agfa- oder ORWO-Logo bekannt? Meine paar Studiobänder haben keine Beschriftung. Nur auf späteren Kunststoffbobbies steht ORWO.


Autor: MGW51 Verfasst am: 07.06.2011, 12:31 Betreff: Bobbies mit Pr?gung
Alle meine damaligen und in geringem Umfang noch erhaltenen AGFA-Bänder sind auf vernickelten Stahlblechbobbies gewickelt gewesen. Gewesen deswegen, weil ich einen Großteil dieser Kerne weggeschmissen habe da sie wegen schlechter Lagerung (bei mir!) vergammelt waren = der Nickelüberzug, oder ist es Chrom (?), begann wegen Unterrostung abzubl?ttern. Grund ist eine zu dünne Verkupferung, was sicher der allgemeinen Materialsituation in den Jahren nach dem WKII geschuldet ist. In keinem Falle sind diese Wickelkerne mit irgendeiner Firmierung versehen. Die Tatsache, daß es sich hierbei um magnetiisierbares Material handelt war sicher der Anlaß für den Rundfunk, im Betriebsdienst auf Kerne aus eisenfreiem Material zu setzen, welche zudem auch noch eine besonders hohe Rundlaufgenauigkeit durch die spannende Bearbeitung garantierten.
Warum es nun auch 90-er Kerne gibt, wissen die G?tter - einen Sinn kann ich nicht erkennen da ja der kleine Untermann seit RRG-Zeiten etabliert war.

daß es eine besondere Bewandnis damit haben muß belegt auch die Nomenklatur welche den R48 in mehreren Ausführungen mit a, b, c -Suffix klassifiziert, dessen 90-er Variante aber lediglich mit einem Hochkomma begl?ckt. R 48 a ist im Gegensatz zu den anderen Varianten nahezu oben wie unten, nur an dem unten etwas breiteren Rand und der nur oberseitigen Reliefschrift einer Nutzseite zuzuordnen.

Von den Ausführungen b und c habe ich wissentlich keine Exemplare - aber eine Namensgravur ist bei diesen ebenso ausgeschlossen denn diese Teile sind ja nicht von der Filmfabrik hergestellt worden und waren auch m.W. zu keiner Zeit im Handel erhältlich. Da gab es immer nur die normalen Bierflaschenöffner aus Stahlblech, später aus Plaste - also bierflaschenfeindliche Produktion Smile

grundsätzlich kann man sagen, daß der Ur-Rundfunkbobbie, also der nach seinem Erfinder kleiner Untermann genannte 70mm-Kern wegen seiner Schlupfproblematik vom 100-er Bobbie abgelöst wurde und von diesen 100-ern ist der R 48 a der eigentliche Ur-Rundfunkbobbie mit den besten mechanischen Werten. R 48b und c kamen m.W. später und sind weitaus unpr?ziser gefertigt; also billiger. Das war möglich weil die Standardtransportgeschwindigkeit von 76 auf 38 halbiert werden konnte. Aber auch die Fertigungstoleranzen beim Spritz- und Druckgu? waren in den zurückliegenden Jahren deutlich verringert worden.

Dennoch, der R 48 a ist mir der Liebste - da hat man noch was in der Hand Smile
Zuletzt bearbeitet von MGW51 am 08.04.2014, 14:15, insgesamt einmal bearbeitet


Autor: 19null5 Verfasst am: 08.06.2011, 03:10 Betreff:
Bobby mit ORWO-Logo, verwendet beim TYP 108 in der Nachwendezeit:



Autor: MGW51 Verfasst am: 08.06.2011, 13:18 Betreff:
Da bin ich aber platt!
tatsächlich ist mir sowas noch nie untergekommen. Nur die schwarzen bzw. hellgrauen Plastekerne sind mir als "letzte Errungenschaften" der Wolfener Magnetbandkonfektionierung erinnerlich. Farbfelder auf DDR-Wickelkernen - eigentlich ein Unding. Aber! Es wurde für die Schallplattenproduktion und wohl auch für den Rundfunk in größeren Mengen stereotaugliches Bandmaterial von der BASF bezogen. möglicherweise sind dadurch die "bunten Rundlinge" hierzulanden populär geworden.
Allerdings weiß ich nicht, welchen Sinn und Nutzen diese Art von Graffiti hat Smile


Autor: 19null5 Verfasst am: 08.06.2011, 23:56 Betreff:
Hier die drei von Michael oben angesprochenen Bobbys R48a, b und c.
R48b und c unterscheiden sich von a in der Form: Sie haben unterschiedliche Vorder- und Rückseiten, sind aber beidseitig verwendbar. Die gerade verwendete Seite ist im Betrieb eindeutig erkennbar.
R48b und c unterscheiden sich lediglich im h?chstzulässigen Schlag: R48b = 0,2 mm, R48c = 0,05 mm .




Viele Grüße
Hajo


Autor: MGW51 Verfasst am: 09.06.2011, 10:38 Betreff:
Aha, nun ist alles klar! Das "Nachwendezeit" hatte ich schlicht überlesen wacky

Also nur halbgeplättet Smile

Dafür habe ich aber zufällig beim wählen einen PreÖling in der schönen Farbe Kackbraun gefunden. Diese Dinger habe ich immer nur als übergroße "Unterlegscheiben" benutzt, weshalb die fast allesamt irgendwo beschädigt sind. 9oer gegossene (R48') habe ich auch mehrere - also ganz so selten sind die nicht was aber dennoch die Frage nach Sinn und zweck dieser SchrumpfGröße offen läßt.

daß R48c so eine geringe Rundlauftoleranz hat, überrascht mich aber wirklich Exclamation Ich hielt die b und c Ausführungen schlicht für minderwertig weil sie materialmüßig so ?rmlich und als reine Spritzgußteile mechanisch nahezu unbearbeitet sind. Ein Blick in die betreffenden BB-Blätter hätte genügt, kam mir aber nicht in den Sinn. Ja, so kann man sich von reinen äußerlichkeiten t?uschen lassen.
Zuletzt bearbeitet von MGW51 am 08.04.2014, 14:17, insgesamt einmal bearbeitet


Autor: 19null5 Verfasst am: 13.06.2011, 01:44 Betreff:
Hier ein "PreÖling", wie ihn Michael erwähnte, allerdings in einer anderen, als von ihm beschriebenen Farbe Smile



Autor: MGW51 Verfasst am: 13.06.2011, 13:32 Betreff:
Na ja, weil es so schön ist, habe ich mich mal hinrei?en lassen und besagte Unterlegscheibe fotografiert:



Also wenn ich mir die Farbe so ansehe, dann wird mir ganz schlecht - wie nach einem Eimer Jungbier und 5 grünen ?pfeln aufdentischhau: Also ORWO, das muß man zu deren Ehrenrettung sagen, hat das nicht verbrochen, die haben nur ihre Senkel darauf gewickelt.


Autor: capstan Verfasst am: 14.06.2011, 11:35 Betreff:
Das Material sieht ja wirklich nicht sehr appetitanregend aus, eher wie das aus gemischten Abfällen hergestellte Nachkriegs- Bakelit.
In der DDR stand der Zweck immer im Vordergrund, nicht das Aussehen.
Unmagnetische Bobby's hatten gewiss auch ihre Vorteile beim gedachten Verwendungszweck.
Als Flaschenöffner oder Aschenbecher waren sie vielleicht weniger verschlei?fest?


Autor: MGW51 Verfasst am: 14.06.2011, 13:19 Betreff: Ein Wickelkern macht Politik...
Zitat:
In der DDR stand der Zweck immer im Vordergrund, nicht das Aussehen.

Ja Bernd, das ist wohl wahr!
Der Vorteil dieser PreÖlinge besteht ja darin, daß sie billigst in hoher Genauigkeit hergestellt werden können; die Betonung liegt auf können!

In dem realsozialistischen Alltag - das wissen wir Altgedienten eben nur zu gut - hatte man aber auf das kleine W?rtchen können nicht viel gegeben. Da gab es zwar staatliche Planvorgaben welche unter allen Umständen zu erfüllen waren doch damit nicht genug! Getreu dem alten Teutonenmotto "Männer wie wir spucken ins Bier, schmeißen die Wurst weg und fressen?s Papier" stellte man sich eifrig selbst ein Bein indem man einen "Gegenplan" - jawohl, so hieß das wirklich - zum Staatsplan präsentierte. Wer nun als unbedarfter Leser glaubt das sei eine Art Oppositionspapier gewesen, ist schlicht auf dem Holzweg!

Mit dem Gegenplan sollte der eigentlich Staatsplan noch getoppt werden! Von der grundsätzlichen Idee sogar eine gute Sache - allein die Art und Weise wie das in der Praxis realisiert wurde, ließ einem schonmal die Fußnägel aufrollen Evil or Very Mad

Und hier macht unser PreÖling richtig große Politik, Wirtschaftspolitik versteht sich. Einesteils wurde eine Mehrproduktion durch "eingespartes Material" propagiert und auch mit durchschlagenden Erfolgen realisiert. Die spätfolgen dieser Erfolge durften dann regelmäßig von Anderen beseitigt werden. Die Kosten hatte die Allgemeinheit zu tragen. Es ging allso nicht darum, generell Material mit Nichts zu ersetzen sondern das bilanzierungspflichtige originale Rohmaterial entweder ganz oder mindestens teilweise durch irgendwelche Substitute zu ersetzen. In sehr wenigen Fällen waren diese Substitute sogar gleichzeitig standfester und preiswerter da nicht importabhängig. Bekanntestes Beispiel ist die Beplankung der Rennpappen mit Duroplast an Stelle von (damals) zu importierendem Tiefziehblech. Das mir als idiotischstes Projekt bekannte Verfahren sollte Straßenbeton durch Lumpen ersetzen. Ich kenne jeden Meter der damaligen Versuchsstra?e! Das absurde daran ist, daß diese Methode nichtmal schlecht ist - schlecht ist eben nur, daß es hierzulanden regelmäßige Winter gibt und daß dabei Wasser zum gefrieren neigt und dieses blöde Wasser dabei einen Volumenzuwachs an den Tag legt, der auch den hörtesten Fels zu sprengen vermag. Schei? Wasser Daumen hoch

Doch zurück zu unserem hei?geliebten Bobbie. Lumpen sind dort garantiert nicht beigemischt worden. Ich weiß nichtmal was man dort (und ob überhaupt!) "artfremdes" zur Pre?masse hinzugefügt hatte; bestenfalls handelt es sich um Beimischungen von Regenerat, das wäre dann wirklich nicht "artfremd". Bei solchen Teilen kann man ja eine Produktionssteigerung auf einfachste Weise durch die Verringerung der Taktzeiten erzielen. Ein weiteres Plus bringt dann die Verlängerung der Einsatzzeiten der Werkzeuge bis zur nächsten turnusmüßigen Verschleißreparatur. Da die Preßwerkzeuge nur in der Offenphase gek?hlt werden, läuft deren Temperatur zwangsweise auch immer h?her und damit werden die PreÖlinge schlicht zu hei? = zu plastisch ausgeworfen. Das führt zu ungewollter Gratbildung, tiefen Eindrücken der Auswerfer und durch die ungleichmäßige Nachk?hlung zum unkalkulierbaren verziehen. Letzteres versucht man durch entsprechend gestaltete unterschiedliche Wanddicken in den Griff zu bekommen.

Bei allen negativen Aspekten stellt es dennoch eine reife Leistung dar, daß diese PreÖlinge, trotz ihrer qualitativen, haptischen und optischen Mängel überhaupt gebrauchsfähig geraten sind! Das meine ich ohne Ironie, es gab auch bei uns genügend Leute, deren Berufsehre schlimmeres verhindert hatte.



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