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Mein neuer Patient - der Eumig 326U - Teil2
Tja, Freunde - dieses Radio ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie sich eine scheinbar "einfache Sache" so entwickeln kann. Der Aufwand ist vorher praktisch nicht abschätzbar ...
Und damit kein falscher Eindruck entsteht: so eine Arbeit kann man niemandem in Rechnung stellen - damit wäre die Reparatur für fast jeden einfach uninteressant, weil zu teuer.
OK - wieder zum Thema...
Nun ging es darum, das Gerät erst mal ans Spielen zu bringen. Dazu wurden alle Papierkondensatoren mit Reststrom gewechselt (tlws. lag der Widerstand weit unter 1M ). Auch einige Widerstände waren defekt:
- der Gitterableitwiderstand der UL41 unterbrochen
- mehrere Widerstände mit weit überhöhtem Widerstand (z.B. 40K statt 30K oder auch 180K statt 100K) ausserhalb der Tolleranz.
Ich will das jetzt nicht alles im Einzelnen hier aufzählen - ich zeige einfach mal die Unterseite des Chassis nach der "Behandlung" :
Und noch einmal vorher:
Hier seht Ihr die "Ausbeute" :
Noch ein paar Anmerkungen zum Wechseln von Bauteilen:
Das Auswechseln von Widerständen und Kondensatoren ist trivial - ist es das?
Fakt ist: bei RöhrenGeräten ist es das sehr oft eben nicht. Es gibt einiges zu beachten. So ist es immer sinnvoll, vor jeder Maßnahme Fotos zu machen. Schon ein etwas anders gekürzter oder verlegter Bauteilanschluss kann an ungünstiger Stelle zu den verrücktesten Fehlern führen - Schwingneigung, Brummen, "Motorboating" - um nur einige zu nennen. In solchen Fällen kann man dann anhand der Fotos erkennen, wo man "Mist" gebaut hat ...
Ein gar nicht so sehr bekanntes Problem gibt es bei Rollkondensatoren: sie sind natürlich ungepolt - ABER es ist trotzdem nicht egal, wie herum man sie einbaut! Schaut Euch dazu einmal folgenden Ausschnitt an:
Ihr erkennt an den markierten Stellen bei den "KONDUR"-Kondensatoren einen schwarzen Ring, ähnlich der Minus-Markierung bei einem Elko.
Hier markiert dieser Ring den _äußeren_ Belag (oder Wickel) - d.h. diese Seite gehört an die "kalte" Seite, also im Normalfall an die Masse. Wenn Ihr genau hinseht, erkennt man das auch auf dem Ausschnitt, zumindest beim oberen Kondensator: Markierung liegt an Masse.
So wird der äußere Wickel gleichzeitig als Abschirmung genutzt. Schon Viele hatten nach einer Reparatur ein "unerklärliches Brummen" - hier ist eine der möglichen Ursachen . Nun ist es so, dass nicht bei allen neueren Kondensatoren eine solche Markierung vorhanden ist - was nichts daran ändert, dass es auch hier diesen Effekt gibt. Um nun festzustellen, an welchem Anschluss der äußere Wickel liegt, kenne ich 2 Methoden:
1. Kondensator mittig zwischen 2 Finger nehmen (keinen Anschluss berühren!) und mit der Prüfspitze eines Oszilloskops die Anschlüsse abtasten. Der Anschluss mit der höheren Brummspannung liegt Aussen...
2. Kondensator greifen wie oben, abwechselnd die Anschlüsse an den "heißen" Draht eines Verstärkereingangs legen, lauteres Brummen = Aussen
Vielleicht kennt ja jemand noch eine bessere Methode?
Sooooo - nun wollte ich es aber wissen! Also alle Drahtreste vom Tisch und Gerät an den Regeltrafo. Langsam hochdrehen, den Stromverbrauch und die Anodenspannung im Blick - alles normal: Gerät zieht Strom, keine Anodenspannung (da Röhre noch kalt ). Bei 130V stellen sich erste vertraute Gerüche (Vorwiderstand) ein und die Anodenspannung beginnt zu klettern -> Heizkreis also i.O. Bei ca. 170V ein erstes leises Brummen und bei 200: Plopp - die Kiste läuft
Anodenspannung liegt bei 220V Betriebsspannung im erwarteten Bereich, keine Verzerrungen, soweit also erfolgreich. Beide Wellenbereiche liefern an einer Prüfschnur als Antenne einige Sender, wobei MW noch in der Tagesdämpfung liegt.
Ich bin erst mal zufrieden, aber es gibt noch einiges zu tun. Der Wellenschalter kracht, das macht sich besonders im KW-Bereich bemerkbar - ist aber nur eine Fleissarbeit. Das Skalenseil rutscht etwas durch,
Netzkabel muss auch noch gewechselt werden, neue Antennenbuchse in die Rückwand usw. usw.
Die Ursache des Schlupfes (Skalenseil) ist leider ernster: der Drehko ist in 3 Gummibuchsen gelagert. Diese Buchsen haben sich total verhärtet und sind geschrumpft:
Dadurch sitzt der Drehko näher an der Frontplatte, der Seilweg ist kürzer und schon "schlupft" das Seil...
Nutzte also alles nix, der Drehko musste raus. Beim Ausbau sind die Gummibuchsen dann vollständig zerbröselt. Sicher muss ich nicht extra erwähnen, dass dabei auch das Seil gerissen ist ?
Aber keine Sorge: ich hatte vorher reichlich fotografiert und auch eine Seillaufskizze angefertigt - also kein wirkliches Problem. Wenn man den Drehko schon mal ausgebaut hat, kann man ihn auch gleich richtig reinigen und fetten - das wurde dann gleich mit erledigt ...
Zunächst wollte ich den Drehko dann einfach ohne Gummi an die Frontplatte schrauben - musste dann aber feststellen, dass die Bohrungen so viel zu groß sind. Gummibuchsen sollten es auf keinen Fall wieder sein - also habe ich mich für die speziellen Unterlegescheiben für TO3-Transistoren (Nylon) entschieden. Normalerweise werden damit TO3-Gehäuse isoliert auf einen Kühlkörper geschraubt, beim Drehko sieht es jetzt so aus:
Anschließend folgte dann erst mal ein Probelauf, und siehe da: keine Krachstörungen mehr! Es war also gar nicht der Wellenschalter, sondern der wackelnde Drehko (obwohl der noch über einen extra Draht mit dem Chassis verbunden war). Das KW-Band war voller Stationen, als langjähriger KW-Hörer bin ich echt überrascht über die Empfindlichkeit des Gerätes...
Na ja - dann folgte unter 1000 Flüchen meine "liebste Tätigkeit", Seil auflegen
Ein Seil passender Stärke habe ich noch neu "auf Lager", ein Stück davon wurde kräftig durch Kolophonium gezogen, das macht das Seil sehr griffig. Alle Rollen/Achsen wurden entfettet und dann ging das Elend los ...
Ich war schon kurz davor aufzugeben, weil die Länge einfach nicht passen wollte, als mir ein Trick einfiel, den ich mal irgendwo aufgeschnappt habe:
Statt das 2. Ende des Seiles zu einer Schlinge zu verknoten (das passt NIE ), wird die Schlaufe durch ein dünnes Messingröhrchen (aus dem Modellbaubereich) gezogen. Dann kann man die richtige Spannung durch Ziehen am freien Ende einstellen und das Messingröhrchen zusammendrücken - passt perfekt . Der Zeiger wird bei diesem Gerät auf das Seil geklebt, die Stelle muss man sich natürlich vorher merken (am Besten Fotos machen)
So nebenbei habe ich dann noch den (vergessenen) Antennen - KoppelC durch einen 2KV-Typen ersetzt...
OK - dann will ich mal so langsam mit meinem Bericht zum Ende kommen.
Die Netzschnur wurde noch getauscht, die Antennenbuchse erneuert und angeschlossen und nach einem weiteren Probelauf und einigen Fotos des Chassis das Gerät wieder zusammengebaut.
Da ich davon ausgehe, dass die Besitzerin nicht wirklich eine Antenne dafür hat, habe ich dann noch aus ca. 20m Kupferdraht eine Behelfsantenne (Wendelantenne) gefertigt. Damit spielen beide Wellenbereiche hervorragend - selbst Radio China konnte ich im 19m-Band hören ...
Hier nun zum Abschluss die letzten Bilder:
Nachtrag:
Im Laufe der Diskussion um diesen Thread stellte sich heraus, dass es durchaus unterschiedliche Ansichten gibt, was das Auswechseln von Kondensatoren mit Reststrom angeht. Ich persönlich wechsle Folienkondensatoren mit messbarem Reststrom aus. Das soll aber kein Diktat sein - ich gebe nur zu bedenken, dass Kondensatoren mit Restrom oft Arbeitspunkte verschieben oder unnötig heiss werden - also u.U. Folgeschäden verursachen.
Aber ich denke, da hat jeder so seine eigenen Erfahrungen und wird sich danach richten :: Zuletzt bearbeitet von TipFox am 20.09.2022, 18:46, insgesamt 5-mal bearbeitet |
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