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Autor: Rimini Verfasst am: 26.08.2006, 15:27 Betreff: B43G4C - 43er/70? Farb-Bildröhre der DDR, entwickelt im WF
Hallo,

ich bin Jahrgang 52 und habe mich Mitte der 60er angefangen für Funktechnik zu interessieren. Unser Nachbar war damals ein Amateurfunker und ich habe dann auch damit angefangen. In der GST-Klubstation waren viele Mitglieder, die im WF Berlin arbeiteten. Ende der 60er kam im WF das Gerücht auf, dass die Null-Serie einer im WF aus einer runden 53er/70? RCA Farb-Bildröhre weiterentwickelte 43er/70? Rechteck-FarbBildröhre "verschrottet" werden soll, weil der RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, eine "überstaatliche" Wirtschaftsplanorganisation der ehemaligen Ost-Block Staaten) beschlossen hatte, dass die gesamte Farb-Bildröhren-Produktion für die Ost-Block Staaten von der UdSSR auf der Basis einer RCA Lizenz für eine 53er/90? Rechteck-FarbBildröhre übernommen werden soll und damit die Entwicklung in der DDR eingestellt wird. Das war natürlich Anlass für einige, die im WF arbeiteten, diese erste und einzige Farb-Bildröhre der DDR zu "retten" und so kamen dann ca. 4-6 Stück zusammen, die in einer "Nacht und Nebel Aktion" aus dem WF "geschmuggelt" wurden. Die Entwicklung war soweit fortgeschritten, dass selbst die Typenbezeichnung B43G4C bereits auf einigen Exemplaren aufgedruckt war.

Was tun mit einer Farb-Bildröhre ohne weiteres "Zubehör", keine Ablenkeinheit, keine Konvergenzeinheit, keine Magnetringe zur Farbreinheitseinstellung, einfach nichts außer der Farb-Bildröhre war da. Auch ließen sich die Ablenkeinheiten der S/W-Bildröhren nicht verwenden, eine FarbBildröhre hat schließlich drei Elektronenstrahlsystem und dementsprechend war der Hals-Durchmesser viel Größer (müßten so ca. 40mm gewesen sein, wenn ich mich richtig erinnere).Zun?chst wurden also alte Anleitungen zum Wickeln von Sattelspulen für die Ablenkeinheit in alten B?chern aus den Anf?ngen der TV-Technik gefunden. Der notwendige Ferritkern für die Ablenkeinheit wurde aus alten S/W-Ablenkeinheiten gewonnen, die "zermahlen" wurden und das dann mit dem allbekannten "Duosan" Klebstoff vermischt in eine entsprechende Form gefällt. Richtig "ausgetrocknet" und fest war der neue Ferritkern dann erst nach einigen Wochen des "Ausl?ftens". Die Wicklung für die Horizontalablenkung wurde als Sattelspule angefertigt und die für die Vertikalablenkung einfach um den "Ferritkern" gewickelt.

für die Konvergenzeinheit wurde eine Konstruktion auf einem Plastetr?ger aus Stücken von Antennen-Ferritst?ben mit entsprechenden Spulen für die dynamische Konvergenzeinstellung und kleinen, drehbaren Magneten für die statische Konvergenzeinstellung gebaut. Auch entsprechend magnetisierte Metallringe mit passendem Durchmesser für die Farbreinheitseinstellung hatte jemand aufgetrieben. Das ganze wurde dann zusammen auf ein Stück PVC-Rohr aus der Sanit?rtechnik zu einer gesamten "Ablenkeinheit" für die B43G4C montiert.

Da die B43G4C eine 43er/70? Bildröhre war, war es naheliegend, diese in ein damals schon älteres S/W-TV Gehäuse einzubauen, das eben auch schon eine passende 43er Bildröhrenblende hat. Mir ist bekannt, das einer von uns einen alten "weißensee" so zu einem Farb-TV "umgebaut" hatte. Ich selbst hatte da wohl ein Gehäuse eines noch älteren Modells, kann mich aber nicht mehr erinnern, welches das war.

Die gesamte Schaltungstechnik für den Farb-TV stammte aus irgendeiner West-Zeitschrift und soweit möglich, wurden die S/W-Baugruppen weiter verwendet. Die gesamte HF-Technik war von dem S/W-TV Gerät übernommen worden, auch die Vertikalablenkung war die übliche der S/W-Technik. für die Horizontalablenkung und Hochspannungserzeugung musste man aber andere Wege gehen, da die 43er Farb-Bildröhre wesentlich mehr Leistung brauchte. Die speziellen Hochleistungs-Ablenkröhren aus dem Westen waren nicht beschaffbar und so wurden einfach zwei getrennte Horizontal-Teile, einer für die Ablenkung und einer nur für die Hochspannungserzeugung, aus den erhältlichen S/W-Teilen aufgebaut. Das hatte auch den großen Vorteil, dass man zur Stabilisierung der Hochspannung keine spezielle und wegen der entstehenden R?ntgenstrahlung problematische "Ballast-Triode" verwenden musste.

Der PAL-Dekoder (SECAM Farb-Sendungen gab es in der DDR zu der Zeit noch nicht) wurde ebenfalls nach einer Schaltung aus einer West-Zeitschrift volltransistorisiert gebaut. Dabei war das größte Problem, den Farbtr?ger-Quarz mit 4,33MHz zu bekommen. Da wurde z.B. alte Quarze aus russischer Funktechnik durch Schleifen auf die Frequenz getrimmt. Die notwendige Verz?gerungs-Leitung war glücklicherweise kein Problem, die wurde auch im WF für den Export produziert. Etwas problematisch war auch die Y-Verz?gerungsleitung für ca. 1?s, aber zur Not ging es auch ohne, dann war eben die Helligkeit und die Farbe nicht ganz "synchron".

Nebenbei bemerkt, der PAL-Dekoder-Zusatz für die später in der DDR gefertigten Farb-TV-Geräte hatte große ähnlichkeit mit unserer Schaltung aus der West-Zeitschrift. überhaupt waren unsere Kenntnise über die Funktionsweise eines PAL-Dekoders sehr hilfreich, als es dann Anfang der 70er Farb-TV Geräte in der DDR gab, die nur SECAM konnten.

Viele Grüße

Rimini


Autor: Yagosaga †
 Verfasst am: 28.08.2006, 23:48 Betreff:
Hallo Rimini, diese Story ist die wohl exotischste, die mir untergekommen ist. Ich habe ja allerhand schon aus der ehemaligen DDR gehört, aber das toppt alles. Gibt es von der B43G4C noch Photos, Dokus oder gar noch Exemplare, die überlebt haben?


Autor: Rimini Verfasst am: 30.08.2006, 17:57 Betreff:
Hallo Yagosaga,

ich hatte noch bis Mitte der 80er Jahre eine B43G4C, die dann aber bei einem Umzug "verloren" ging. Ich könnte mich heute Ärgern, dass die aus PlatzGründen "entsorgt" werden musste. Mittlerweile versuche ich herauszufinden, ob es noch ein existierendes Exemplar gibt, was nach so langer Zeit nicht ganz einfach ist. Einige, die damals dabei waren (meine damaligen "Lehrmeister" in Sachen Funktechnik/Elektronik), sind mittlerweile schon verstorben.

Auch intensives suchen im Internet ergab bisher keine weiteren Anhaltspunkte zur B43G4C. Aber da ich ja immer noch in Berlin lebe, werde ich mal in nächster Zeit zum ehemaligen WF, heute Samsung, fahren, viellleicht findet man da noch irgendwelche Archivunterlagen, ehe Samsung das Werk vollständig schließt.

Besonders interessant an der B43G4C waren die außen an allen vier Ecken am Schirmglas und am Kolbenglas aufgelöteten Glasblöcke zur genauen Positionierung der beiden Teile im Fertigungsprozess. Bei den ursprünglichen FarbBildröhren mit Lochmaske wurde ja mehrfach die Schirmfl?che vom Kolben getrennt, um die verschiedenen Leuchtschichten aufzubringen, bevor die Elektronenstrahlsysteme eingebaut und dann leergepumpt wurde. Dazu hatten die Glasbl?cke auf der einen Seite (Schirm- oder Kolbenglas) einen keilförmigen "Einschnitt" und der Glasblock auf dem anderen Seite eine keilförmige Ausbildung, so dass diese eine formschlüssige, mechanische, genaue und immer gleiche Positionierung von Schirmglas und Kolbenglas zueinander ermöglichten.

Gruß

Rimini


Autor: Yagosaga †
 Verfasst am: 06.09.2006, 15:06 Betreff:
Hallo Rimini,
herzlichen Dank für die Infos. Im letzten Jahr hatte ich telefonischen Kontakt mit einem TV-Entwickler aus der ehemaligen DDR, der noch ein oder zwei Versuchs-Farb-TVs mit RundkolbenBildröhre besitzt. Er wollte sie bei ebay im November 2005 versteigern. Doch ich hatte damals keine Angebote gesehen. Ich kann nicht sagen, ob es sich bei diesen Apparaten um welche mit der B43G4C handelt, vielleicht sind sie auch mit amerikanischen CRTs ausgestattet. Es wurde im letzten Jahr auch eine 21CYP22 aus Leipzig angeboten, die für 30 EUR weg ging.
Auf die nächste Antwort freue ich mich schon.


Autor: Rimini Verfasst am: 06.09.2006, 19:48 Betreff:
Hi,

wenn es Rundkolben-FarbBildröhren waren und wirklich aus der ehemaligen DDR stammen sollten, waren es die "Vorbilder" von RCA. Habe selbst damals kurz solch eine RCA-Bildröhre gesehen und von der weiß ich, dass sie letztlich in "Privatbesitz" übergegangen ist.

überhaupt sowas bei Ebay zu finden, würde ja bedeuten, dass man ständig/täglich danach suchen müßte. Was für ein Zeitaufwand.

Die B43G4C aus dem WF war definitiv eine 43er Rechteck-Bildröhre, also kein Rundkolben.

Mittlerweile weiß ich, dass das Samsungwerk in Berlin noch nicht Ende 2005 vollständig geschlossen wurde und es dort eine historische Ausstellung geben soll. Leider finde ich z.Z. keine Zeit, um da mal hinzufahren. M?sste ja in der Woche sein und das wird wohl erst wieder im Oktober möglich sein, leider.


Autor: Yagosaga †
 Verfasst am: 07.09.2006, 10:36 Betreff:
Hi,
manchmal gibt es Zufälle! Der besagte Monitor ist jetzt bei ebay, Nummer 300024399641. Er hat definitiv eine amerikanische Röhre, eine 21CYP22A. Er stammt aus der FFS-Entwicklung. Ich würde gern drauf bieten, aber ein Problem ist die Entfernung und der Transport. Der Monitor steht in S?dbrandenburg, s?dlich von Berlin, 3,5 Std. Fahrt von mir (eine Strecke).


Autor: MGW51 Verfasst am: 07.09.2006, 13:03 Betreff:
Hallo Eckhard,

dann solltest Du die Chance nutzen! Ein Abholer wird sich sicherlich finden und dann kann man ja einen Staffellauf organisieren - falls denn das Gerät auch mal von einem Tonbandmann berührt werden darf Laughing

Wichtig sollte nur sein, daß die Kiste möglichst schnell nach Auktionsende weggeholt wird. Der weitere Weg eilt ja dann nicht so.


Autor: Rimini Verfasst am: 10.09.2006, 12:27 Betreff:
Yagosaga schrieb wie folgt:

Hi,
manchmal gibt es Zufälle! Der besagte Monitor ist jetzt bei ebay, Nummer 300024399641. Er hat definitiv eine amerikanische Röhre, eine 21CYP22A. Er stammt aus der FFS-Entwicklung. Ich würde gern drauf bieten, aber ein Problem ist die Entfernung und der Transport. Der Monitor steht in S?dbrandenburg, s?dlich von Berlin, 3,5 Std. Fahrt von mir (eine Strecke).


Sehr interessantes, historisches Gerät. Auch wenn es denn nur ein "verbastelter" Studio-Monitor und kein TV-Gerät sein wird, würde ich das gerne ersteigern, aber ich wüsste nicht wohin damit (überhaupt kein Platz).

Falls das hier jemand ersteigert und aus dem großraum Berlin/Brandenburg ist, dem biete ich gerne meine Mithilfe bei der Restauration an.


Autor: MGW51 Verfasst am: 30.03.2011, 23:05 Betreff:
Seit viereinhalb Jahren hat sich in dieser Sache hier nichts mehr bewegt. Rimini verschwand so schnell wie er gekommen war.

Soll man das nun glauben - oder ist es eine Ente ?

Ein paar Gedanken dazu:

Bereits in den frühen 50-ern hat das Funkwerk Erfurt Leistungsröhren für einen künftigen Farbfernseher entwickelt. Auch die Gnomröhrenfertigung ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen - daß diese Entwicklung abrupt abgebrochen wurde hatte einzig ökonomische Gründe: Diese Dinger ließen sich nicht exportieren!

Und so wurde "über Nacht" zurückgerudert. Aus meiner Sicht positiv daran war lediglich, daß uns die Rimlockröhren erspart geblieben sind.

Bei meiner Suche per Tante Gurgel bin ich auf etliche Verweise zu der hier von Rimini initiierten Offenbarung gestoßen. Der mehrheitliche Tenor: Was genaues weiß man nicht!

Bis auf eine Aussage die ich im Robotron-Forum fand.
PS schrieb wie folgt:
An eine 110?-FarbBildröhre war damals noch gar nicht zu denken - weder hier in der DDR, noch weltweit!
Die erste Farb-Bildröhre aus der DDR hatte die Typbezeichnung B43G4C, war demnach im Gegensatz zu dem Rundkolben des US-amerikanischen RCA-Vorbilds 21CYP22 eine 43cm-RechteckBildröhre mit 70?-Ablenkwinkel...

Chefentwickler der FarbBildröhren im WF war Peter Neidhardt. Aus Frust, wegen der Entscheidung zur Beerdigung der DDR-Eigenentwicklung und Import sowjetischer 59cm-LochmaskenBildröhren verließ P.N. das WF und gilt seitdem als verschollen.

Sollte sich die Aussage zum damaligen Entwicklungsleiter untersetzen lassen, so wäre das ein neuer Ansatzpunkt für entsprechende Recherchen. Logischerweise würde das nebenher auch die Existenz der damaligen Entwicklung bestätigen.

Fazit: Es gibt noch immer etliche "weiße Flecken" in der Rundfunkgeschichte, deren mögliche Ausmalfarben leider immer schw?cher werden...


Autor: Rimini Verfasst am: 14.08.2019, 10:23 Betreff:
spät aber nicht zu spät haben sich jetzt einige interessante Dokumente zur Entwicklung der B43G4C im WF angefunden

https://berlin.museum-digital.de/data/berlin/resources/documents/201904/25111657799.pdf

https://berlin.museum-digital.de/data/berlin/resources/documents/201904/25111712524.pdf

Eine 53er Rechteck-FarbBildröhre war auch schon in der Entwicklung

https://berlin.museum-digital.de/data/berlin/resources/documents/201904/25105418485.pdf

Und selbst Untersuchungen zu einem molekular-optischen Verfahren zur Farbbildwiedergabe gab es bereits

https://berlin.museum-digital.de/data/berlin/resources/documents/201904/25110422199.pdf


Autor: MGW51 Verfasst am: 14.08.2019, 10:47 Betreff: Sag niemals Nie!
Das was ich jetzt hier lesen konnte, ist ja nur ein Bruchteil der gesamten Dokumentation aber gleichwohl eine, in dieser Detailliertheit nicht unbedingt zu erwartende Zementierung der bisherigen Erkenntnisse, die nun erst durch unanfechtbare Dokumente neues Gewicht bekommen und einigen Leuten deren Weltbild auf den Kopf stellen dürften. Es ist in dem Zusammenhang sehr bedauerlich, daß unser ehemaliges Mitglied Eckehard Etzold durch sein frühes Ableben diese Erkenntnisse nicht mehr machen darf.

Danke "Rimini", daß Du 13 Jahre nach dem ErÖffnungsbeitrag zu dieser Thematik wieder etwas sehr erhellendes beigesteuert hast!


Autor: Rimini Verfasst am: 14.08.2019, 18:56 Betreff:
Tja so ist das oder man sieht sich im Leben zweimal. Smile

Ich hätte nicht gedacht, dass die B43G4C schon in der Zeit vor und bis 1961 entwickelt wurde, weil wir die wenigen Exemplare der B43G4C erst sehr viel später (wird 1967/68 gewesen sein, kann ich aus der Erinnerung nicht mehr genau sagen)) vor der Verschrottung "gerettet" hatten.

Wie ich jetzt weiß, stammen die Teildokumente aus dem Archiv des Industriesalon Berlin-schöneweide. Was das Archiv mittlerweile umfasst, findet man dort

http://www.industriesalon.de/archive

Die Aufstellung der archivierten Dokumente ist sehr aufschlussreich, selbst eine 60er FarbBildröhre war schon in den 60er Jahren angedacht worden. Verfolgt man die Dokumentenaufstellung genau, scheint 1967 dann die Entwicklung und Fertigungsvorbereitung einer FarbBildröhre im WF plötzlich beendet worden sein. Das würde dann auch erklären, warum erst 1967/68 die paar Muster der B43G4C verschrottet werden sollten.


Autor: MGW51 Verfasst am: 14.08.2019, 19:51 Betreff:
Ja, genauso sehe ich es auch - bis dahin war es immernoch realisierbar, doch die Entscheidung welche dann gefällt wurde war nicht nur eine ökonomische, es war vor allem auch eine politische Festlegung sowohl auf Secam IIIb als auch auf die 59LK3Z. Meine Vermutung ist, daß es sich nicht zuvorderst um eine gewollte Abgrenzung vor dem "Westfernsehen" handelte sondern schlicht und ergreifend eine entsprechende Abnahmemenge dem sowjetischen "Partner" ein ausk?mmliches Kalkulieren ermöglichte.

Als dann zum 20. Jahrestag der DDR mit dem 2. Programm auch die ersten Aussendungen in Farbe erfolgt sind, weckte das naturgemäß auch entsprechende Begehrlichkeiten, die zuallererst mittels ImportGeräten - RADUGA und RUBIN - befriedet werden mußten denn "Color20" war nicht in Größenordnungen verfügbar und hatte dazu auch noch eine bekannte Kinderkrankheit in der HU-Erzeugung.

Es tut gut, wenn man sich mal ein wenig zurückerinnert Smile

Ich gestehe freim?tig, mit Deinem "Erscheinen" hier nicht mehr gerechnet zu haben. Darum nochmals ein ganz herzliches Dankeschön dafür, daß Du weiter am Ball geblieben bist!


Autor: Rimini Verfasst am: 15.08.2019, 12:57 Betreff:
Ich denke, dass neben der politischen Entscheidung für die russischen 59er/90? FarbBildröhren auch die technische Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Da offensichtlich nach 1961 keine wesentliche ntwicklung der 43er/70? FarbBildröhre in der DDR stattgefunden hat, war sie dann Ende der 60er Jahre mit dem 70? Ablenkwinkel einfach technisch veraltet, auch international. Warum da nicht mehr weiterentwickelt wurde und auch nicht mal die Produktion der 43er und eventuell einer 53er Rechteck-FarbBildröhre Anfang/Mitte der 60er Jahre im WF aufgenommen wurde, obwohl zu der Zeit eben international noch Rundkolben-FarbBildröhren den Markt beherrscht haben, ist wahrscheinlich so geheim, dass es nicht nachvollziehbar ist. Zumindest findet man im Archiv des Industriesalon auch Dokumente, die darauf hinweisen, dass es Untersuchungen zur Produktion von FarbBildröhren in den 60er Jahren gab. Da ich jetzt im Ruhestand bin, hab ich vielleicht mal die Zeit, mir die Dokumente vor Ort anzusehen.

Die ganze Geschichte ist für mich auch heute noch hoch interessant, weil es meine Jugendzeit geprägt hat. Es wäre schade, wenn historisches Wissen und Kenntnisse einfach in Vergessenheit geraten. Soweit es mir zugetragen wurde, gabt es nach der Auflösung des WF noch eine B43G4C in der Ausstellung des Industriesalon, die dann von Samsung, die ja die Bildröhren-Produktion vom WF übernommen hatten, für eine Ausstellung im Ausland "ausgeliehen" wurde und angeblich nicht wieder nach Deutschland zurückgebracht wurde.


Autor: MGW51 Verfasst am: 16.08.2019, 17:41 Betreff:
Du sprichst da einen interessanten Aspekt an: tatsächlich ist in der DDR keine Entwicklung von 90? Rohren bekannt - hier wurde gleich auf die 110? Technik übergeleitet; natürlich Schwarz-weiß.

90? Bildrohre hatte zu der Zeit Ungarn in seine Geräte, die ja auch hierzulanden als Importe erhältlich waren, montiert. Ich bin mir nun nicht mehr absolut sicher, ob das immer ORION-Röhren waren oder - Importe von VALVO.
Auch die DDR importierte zuweilen 43-er und / oder 47-er VALVO Rohre für die S-W Gerätefertigung. Warum, weiß ich nicht. Ich gebe auch zu, das nie hinterfragt zu haben.

Auch von den Tschechischen S-W Importen sind mit keine 90? Geräte erinnerlich.

Ich glaube, daß man ganz gezielt nicht auf diese Technik gesetzt hatte weil das Einsparpotential bei den 110? Rohren erheblich Größer war und da hierzulanden ja eine enorme Fertigungskapazität geschaffen worden war, wollte und mußte auch der Exportmarkt eine große Rolle spielen. Da waren keine 90? S-W Geräte international zu guten Preisen absetzbar aber 110-er schon. Auch in Westdeutschland unter der Handelsmarke Bruns. Du weißt ja auch noch, daß bei der Erwirtschaftung von Devisen grundsätzlich der normale Menschenverstand beim Pfürtner abgegeben werden mußte - sonst wäre man ja durchgedreht Wink

Ist schon noch ganz schön viel Nebel um uns herum!

p.s.
Eigentlich hat mich das FE Thema zu den elektrisch steuerbaren optischen Filtern noch mehr in Erstaunen versetzt als das eigentliche "Colorskop".


Autor: Rimini Verfasst am: 23.08.2019, 09:51 Betreff:
Hab jetzt mal aus der Aufstellung der im Industriesalon Berlin-Oberschöneweide archivierten Dokumente alles zusammengesucht, was mit der FarbBildröhrenentwicklung im WF Berlin zusammenhängt

0046 Ermittlung des Entwicklungsumfanges für 53-cm-FarbBildröhren
Neidhardt Mrz 60 14 Seiten WFe 008/0039

0072 Entwicklung einer FarbBildröhre B 43 G 4 C "Colorskop"
Neidhardt Dez 60 54 Seiten WFe 008/0062

0073 Entwicklung einer FarbBildröhre B 43 G 4 C "Colorskop" - Anlagenband
Neidhardt Dez 60 80 Seiten WFe ja 008/0062

0377 Spezialtechnologie für 53 cm FarbBildröhre vom Maskentyp
Bornemann Sep 61 40 Seiten WFe 008/0348

0378 Spezialtechnologie für 53 cm FarbBildröhre vom Maskentyp - Anlagenband
Bornemann Sep 61 53 Seiten WFe ja 008/0348

0484 FarbBildröhrentest
Emmrich, u.a. Dez 62 77 Seiten WFe 008/0448

0547 Farbbildräähre B 53 G 4 C
Emmrich, u.a. Mrz 63 38 Seiten WFe 008/0509

0650 Untersuchung der Möglichkeit zur Aufnahme der Produktion von FarbBildröhren
Richter, Bornemann Feb 66 37 Seiten WFe 008/0614

1206 Untersuchung der Möglichkeit zur Aufnahme der Produktion von FarbBildröhren
Richter, R?der, Hornemann Feb 66 25 Seiten WFe 051/0068

1657 Farbbildräährenentwicklung in der DDR Mai 1967
Richter Jun 67 30+ Seiten WFe ja 075/0002

1658 Entwicklung und Fertigung von Farbbildräähren
diverse Apr 65 190 Seiten WFm 075/0003

1659 AME-Versuchsanlage für Farbbildräähre; Farbbildräährenproduktion;
F.u.E-Thema Farbbildräähre B 60 01; Pilotanlage für Farbbild-Maskenräähren;
Pilotfertigung für Farbbildräähren; Bildaufnahmeräähren und Farbbildwiedergaberäähren;
Lizenzverhandlungen über Pilotproduktion Farbfernsehen
k.A. 1967-68 ca. 100 Seiten WFe 075/0004

1660 Farbbildräähre B 60 C 1 - Themenstudie zum Abschluß K 2
Richter Feb 69 182 Seiten WFm 075/0005

Da gibt es viel zu lesen! Neben der bekannten B43G4C wird da auch schon die B53G4C genannt und noch erstaunlicher, 1967/68 taucht da auch eine B 60 C 1 auf. Da auch eine Versuchs- und Pilotanlage/-fertigung für FarbBildröhren in dem Zusammenhang aufgeführt wird, deckt sich das mit dem, was uns damals als Gerücht bekannt geworden ist. Die angeführten "Lizenzverhandlungen über Pilotproduktion Farbfernsehen" scheinen dann aber nicht erfolgreich gewesen zu sein. Dies wahrscheinlich auch wegen der RGW-Entscheidung zu Gunsten einer 59er Lochmaskenröhren-Produktion in der Sowjetunion und deren Import.

Es bleibt spannend, was die Dokumente da noch so enthalten könnten.



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