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Hallo Nils,
ja, da haben wir wieder typische Beispiele wo Wahrheiten und Legenden sich mit einander verwischen.
Ich habe tatsächlich einige "Fox auf 78" von frühjahr 1998 bis Herbst 2002. Hatte die Bestellung dann allerdings abgemeldet, weil sich die Themen um Platten und Orchester bewegten, die unerreichbar schienen. Meine Situation als Plattensammler hat sich da doch Gott sei Dank zum Positiven fortentwickelt, so dass eine Nachbestellung der fehlenden Exemplare langsam Sinn macht.
Gleich in meiner 1. Ausgabe ist ein Bericht über "50 Jahre Amiga". Es wird geschildert, weshalb die Tempo- und Brillantaufnahmen oft unkorrekt oder gar falsch auf den Etiketten beschrieben wurden, man legte halt keinen allzu grossen Wert auf die Angaben. Man wollte überhaupt erstmal das Geschäft ankurbeln. Im Blickpunkt waren die Eigenaufnahmen der neu entstandenen Amiga.
Die ODEON hat ihr Presswerk Ende 1943 nach Paris verlagert, so dass noch 1944 ODEON-Platten erschienen sind, allerdings in einer schlechten Pappkern-Beschichtung und mit der Bezeichnung "P".
Ich kann jetzt den Arikel nicht finden, woraus hervor geht, dass auch die Grammophon kurz nach Kriegsende ihr Geschäft ankurbelte, mit der Pressung vorhandener Matrizen aus dem Lager in Hannover. Also geht eindeutig daraus hervor, dass auch das Grammophon-Werk nicht vollständig dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Tempo hatte immer noch das Werk in Ehrenfriedersdorf, dessen alte Presswerke, trotz veralteter Technik, noch bis 1958 Schellackplatten produzierten.
Herr Streiff in der Kruppstr. hatte bei einer WohnungsaufLösung 1 Meter lange Holztransportkisten der Fa. Tempo aufgespürt, die 1944 nach Dresden gehen sollten. Da Dresden allerdings dem Erdboden gleichgemacht wurde, kamen sie beim Empfänger nie dort an. In der Kiste waren die frischgepressten Scheiben, darunter auch Presswerke mit dem Label des Reichsrundfunks und den Aufnahmen vom DTUO.
Da die Telefunken AG ihre Schellackplatten im überwiegenden Masse im Presswerk der Grammophon in Hannover anfertigen liess (Telefunken besass selbst keine Plattenpressen), wollte man Telefunken und Grammophon vereinen. Als allerdings Anfang der 30er Jahre die Telefunkenplatte sich umsatzig st?rker erholte als die Grammophon, war dem Werk die untergeordnete Rolle der Plattenherstellung zugewiesen. Das Grammophonwerk presste für ihre eigene Hausmarke und für Telefunken. So liegt es für mich nahe, dass sie auch für andere Auftraggeber Schallplatten anfertigte.
Nun muss man sich die Jahre 1944 und 45 und auch noch die Zeit nach der Stunde Null vor Augen führen. Viele Hauptniederlassungen in den großst?dten waren ausgebombt. Nur dem deutschen Gehorsam und der deutschen gründlichkeit ist es zu verdanken, dass sich in dieser Zeit überhaupt wirtschaftlich noch etwas getan hatte. Die Firmenbesitzer hatten ihre Mitarbeiter deutschlandweit zu kleinen Filialen in irgendwelchen d?rflichen Regionen geschickt.
Ein Beispiel sei von meiner Mutter genannt. Sie arbeitete in einer Fabrik, die medizinisch-chemische Instrumente herstellte. Als 1944 das Werk in Berlin ausgebombt wurde, musste sie sich binnen weniger Tage in einer Zweigstelle in einem Dorf in Sachsen oder Türingen (ich weiss es leider nicht mehr) punkt 8 Uhr dort melden. Das Problem war nur, dass kaum noch Züge fuhren, wenn, dann nur mit grossen Verspätungen, weil viele Gleise durch Granattrichter verworfen waren und wenn man dann mehr stehend als fahrend unterwegs war, kam es des öfteren zu Feindangriffen auf die Züge.
In diesem Endkriegs- und Nachkriegs-Wirrwar ist es für mich nicht verwunderlich, dass plötzlich Tempo-Matrizen auf Grammophon- bzw. Polydorplatten erschienen sind.
Genaue Untersuchen können nur diejenigen untereinander vornehmen, die auch solche Kuriositäten in ihrer Sammlung haben. Ich muss da leider passen, weil mein Schwerpunkt mehr auf die Entstehung der Musik zielt, warum die Orchester so gespielt haben und wie die Menschen in dieser kulturell untergegangenen Zeit tickten. |
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