Treffpunkt der Interessengemeinschaft Übersicht -> Messen - aber wie?
Autor: mike jordan Verfasst am: 17.02.2009, 12:47 Betreff:
Ich wende mich hiermit an die Sammler, die an einer ernsthaften Arbeit an Geräten Interesse haben.

Ich sehe immer wieder, wie falsch durch Unwissenheit da beurteilt wird.

In früheren Jahren, war es eine selbstverständlichkeit, dass man einige Grundregeln der Messtechnik beherrschte.
Das eine Glühlampe oder ein Lötkolben eine rein ohmsche Last darstellt, wenn es nicht gerade eine moderne Lötstation ist, sollte klar sein. Dort wird die Leistung in Watt als U x I gemessen bzw. berechnet. Ein Transformator stellt aber eine induktive Last dar, genau wie ein Motor es tut.
Da ist es nicht mehr möglich, einfach U x I zu rechnen. Warum, weil dabei Strom und Spannung nicht in Phase sind, also deren Maxima nicht zusammenfallen.
Was nun? Ein Transformator, hat deshalb eine Scheinleistung (U x I in VA = Volt Ampere)
Und eine Wirkleistung (U x I x cos phi ) Der cos phi liegt über den Daumen gepeilt bei 0,6 bis 0,9 das hängt ganz vom Aufbau des Trafos ab.
Aber eines ist besser als nichts. Wenn U (220V) x (0,2A) = 44VA sind ist die Leistung die vom Stromzähler oder einem Wattmeter gemessen wird 44 x 0,8 = 35,2 Watt.
Die Sicherung in der Zuleitung zum Trafo, sieht aber die 0,2 Amp. solange der Trafo im linearen Betrieb arbeitet, d.h. das Eisenpaket ist noch nicht in der magnetischen Sättigung.

Ganz kompliziert wird es bei einem Radio oder TV- Gerät ohne Trafo, ein sogenanntes "Allstrom- Gerät". Das kann an Gleichstrom- und Wechsel- Stromnetzen betrieben werden.
Die ersteren gibt es heute nicht mehr.
Was ist daran so kompliziert? Die Röhren liegen mit ihren Heizfäden alle in einem (zwei) Stromkreis(müssen). Deren Strom ist ohmsch, also U x I = Watt.
Ausserdem hat das Gerät noch mindestens einen Gleichrichter, der aus dem Wechselstromnetz die Gleichspannung fuer das Gerät aufbereitet. Unmittelbar nach dem Gleichrichter folgt meistens, eine grosse Kapazität, der Ladekondensator.
Der sorgt dafür, dass trotz pulsierenden Strom im Gleichrichter, ein mehr oder weniger konstanter Gleichstrom entnommen werden kann. (BILD 2)
Wenn aber der Kondensator auch dann Strom liefert, wenn aus dem Gleichrichter keiner geliefert wird, muss anschliessend ein größerer Strom aus dem Netz entnommen werden. Damit wird dann der Kondensator wieder vollgeladen.

Es ist so hoffe ich einzusehen, dass es so sein muss.

Bei einem Einweggleichrichter ist der Strom im Gleichrichter 2,3 x dem Gleichstromwert nach dem Ladekondensator. Bei einem Gegentaktgleichrichter (Zweiweggleichrichter wie AZ1 oder EZ80) 1,8 x Gleichstromwert, und bei einem Graetzgleichrichter (BRüCKE) 1,4 x Gleichstromwert.
( Begriffe siehe Bild 1)

Nachdem dieser Strom im Gleichrichter und als anteiliger Wert in der Netzleitung keine Sinusform hat, (BILD 2) kann der nur mit einem Instrument das den echten Effektivwert anzeigt gemessen werden. Das ist entweder ein Dreheisen (Weicheisen) Instrument, oder ein modernes True -RMS Meter das auch bei nicht sinusfürmigen Verlauf des Stromes den Effektivwert misst, der zusammen mit der Spannung die Leistung in Watt ergibt.

Beim Trafo, ist aber immer noch der cos. phi zu beachten.
Um das Ganze anschaulich zu machen, habe ich vor einiger Zeit eine aufwändige Messreihe gemacht.
Dabei wurden Drehspulen- und Dreheisen- Instrumente benutzt. Dazu ein True- RMS Leistungsmesser von CONRAD. u.v.m.

Gemessen wurden Glühlampen wobei man sieht wie genau die Messmittel bei ohmscher Wirklast anzeigen. Eine 100Watt Lampe sollte da immer mit 100Watt (+/- ihre Abweichung) gemessen werden. Sehen Sie selbst.
Dazu eine Auswahl an Stromsparlampen, Wechselstrom- und Allstrom- Radios,
Ein SW- TV- Gerät mit Röhren und ein moderenes Color-TV mit Halbleitern bestückt

Ströme ohne Ladekondensator

und Ströme mit Ladekondensator

Powermessungen

Die einzelnen Meters



Mike Jordan.


Autor: MGW51 Verfasst am: 17.02.2009, 17:33 Betreff: Messen der echten Stromaufnahme und der Leistungsaufnahme
Soviel zu Messen und Deuten!

Prima, das ist mal wieder ein Beitrag, den sich jeder Bastler ganz groß über seinen Arbeitstisch hängen sollte.
Allerdings muß ich einräumen, daß ich rein gefühlsmüßig bei dem Philips-Röhrenfernseher über den enormen Unterschied zwischen Schein- und Wirkleistung richtiggehend erschrocken war. Zum Glück gibt es ja direktanzeigende Leistungsmesser, nicht ganz billig zwar aber ungemein praktisch.


Autor: mike jordan Verfasst am: 17.02.2009, 17:55 Betreff: Hinweis
Wenn man zu der Bemerkung "Philips" die Werte links unten

SW- Philetta nimmt, sind das auch 135 VA zu 84 Watt.
dass soll gezeigt werden.

In Zahlen 1:1,6

mike

Zuletzt bearbeitet von mike jordan am 18 Feb 2009 13:12, insgesamt einmal bearbeitet


Autor: TipFox Verfasst am: 18.02.2009, 08:36 Betreff:
Hallo Mike,

danke für diese Zusammenstellung! Das war mir zwar alles bekannt, aber man denkt eben doch nicht immer daran. Besonders die Strombelastung der Gleichrichter vergisst man sehr leicht ...


P.S.: mit "Brückengleichrichter" meintest Du sicher "Zweiweggleichrichter" - "Brücke" wäre ja "Graetz" :Wink:
Zuletzt bearbeitet von TipFox am 19.09.2022, 18:04, insgesamt einmal bearbeitet


Autor: mike jordan Verfasst am: 18.02.2009, 10:22 Betreff: Antwort fuer Tippfox
Hallo Juergen,

na klar, im Bild 1 stehts ja im Klartext.

Was das Bekanntsein angeht, wird das wohl immer so sein.
Wer weis etwas was noch keiner kennt oder weis?

Es gibt halt massenweise Experten, die unentwegt behaupten.
Dass in einem Stromkreis (GLR + Lade-C) der Strom an jeder Stelle der gleiche sei. Da werden lustig der Gleichstromwert in DC mA genommen, und der bekannte Vorwiderstand der bei Si Zellen (Dioden) noetig wird, sich ganz einfach rechnen laesst.
Man nehme den überschuss des Spannungswertes der am Ladeelko zu hoch ist, multipliziert den mit dem Gleichstromwert in der Verbraucherleitung wie er im Schaltbild steht und schon hat man den Vorwidersstand.

Mit dessen Belastung geht das auch ganz einfach I DC x R = Fertig!
Ich kenne da viele Faelle.

Das schreibt einer vom andern ab.
mike.

kann wieder geloescht werden.


Autor: Uli1960 †
 Verfasst am: 18.02.2009, 17:51 Betreff:
Hallo,

wirklich Auffällig ist dabei, das die SW-Philetta Extremwerte liefert. Mich würde mal interessieren, ob dort eine Halbwellenheizung verbaut ist. Sicherlich sind die Röhren ohmisch, aber durch den Gleichrichter im Heizkreis werden doch nur die positiven Halbwellen genutzt, was sicher auch Einfluss auf den Eingangsstrom hat. Auch wenn der Strom dann noch nahezu in Phase liegt, so ist er dennoch nicht mehr sinusfürmig.

Die E-Werke haben übrigens diese Probleme gar nicht gerne. Daher werden in modernen Geräten PFC- Schaltungen eingesetzt, um Strom und Spannung wieder in Phase zu bringen.
(PFC = Power factor correction)
Hier befindet sich direkt hinter dem Gleichrichter meist nur eine winzige Kapazität, der Ladestrom wird dann durch Elektronik im Nulldurchgang "gestartet" und bleibt damit - vom Netzstecker aus "gesehen" mit der Spannung in Phase.

Interessant wäre mal eine Messung an einem solchen Gerät, speziell mit den letzten beiden in der Liste aufgeführten Messgeräten.


Autor: mike jordan Verfasst am: 18.02.2009, 18:15 Betreff: Heizkreis Philetta mit Vorchaltkondensator
Hallo Uli.

Richtig, das mit der Halbwellenheizung haette ich schon angegeben.

gruss mike



Autor: Uli1960 †
 Verfasst am: 19.02.2009, 20:37 Betreff:
Hallo Mike,

also an einen Vorschaltkondensator hätte ich bei einem FS-Gerät von ca. 1960 nicht gedacht. Aber dieser erzeugt natürlich eine ordentliche Phasenverschiebung, die die extremen Ergebnisse rechtfertigt.

Watt ist eben nicht VA !



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