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Autor: 19null5 Verfasst am: 03.06.2011, 19:23 Betreff: Kraly 1948: Heimtonbandgeräte aus Sachsen
Titelbild der Funk-Technik 7/1948:

Text zum Titebild:
Rundfunkempfänger mit eingebautem HF-Magnetofon zur Aufnahme und Wiedergabe von Schallsendungen bis zu 20 Minuten Spieldauer. Hersteller: ElektroGerätebau V. Kraly, Cranzahl I. Erzgeb.

An anderer Stelle der FT steht in einem Bericht zur Leipziger Messe:
Eine Firma stellte eine sehr ansprechende, für Deutschland neue Kombination RadioGerät/HF-Magnetofon aus. Die Anlage arbeitete ausgezeichnet, der allerbesten Wiedergabe konnte man auch ohne Meßgeräte glauben, daß die Frequenzkurve zwischen 50 und 9000 Hz nahezu geradlinig verläuft. Diese Kombination nun kostet RM 6000,--, wobei für RM 2000,-- Zulieferungen an Rundfunkmaterial gefordert wurden.

Es muß eines der frühesten Tonbandgeräte für den Heimgebrauch in Deutschland sein, welches hier von der Fa. ElektroGerätebau Victor Kraly aus Cranzahl in Sachsen auf der Leipziger frühjahrsmesse 1948 mit dieser Radio/Tonband-Kombination vorgestellt wurde. Allerdings dürfte schon der Preis eine größere Verbreitung verhindert haben.

Viele Grüße aus Istanbul
Hajo


Autor: MGW51 Verfasst am: 04.06.2011, 18:26 Betreff:
Lieber Hajo, liebe Leser,

der gezeigte Apparat ist meines Wissens nie produziert worden. Zudem gibt es mindestens noch ein weiteres, ähnliches Modell von Kraly aus der gleichen Zeit.

Interessant ist aus meiner Sicht die Umsetzung unter R?ckgriff auf die etablierte 4-Drucktasten-Bedienung der AEG K4 mit der sich der Schnellvorlauf durch gleichzeitiges Betätigen von Rücklauf- und Wiedergabetaste einschalten läßt. Die frontseitige Integration der Bedientasten weckt Assoziationen an die gut drei?ig Jahre später kreierte Kombination eines eher primitiven, transistorisierten Mittelsupers mit einem Toplader Kassettenteil: Prominent Duo. Ein grottenschlecht zu bedienendes Gerät mit sehr müßigen - um nicht zu sagen unterirdischen - Empfangs- und Klangeigenschaften.

Kraly hat versucht, das derzeit machbare zu zeigen indem er einige Messemodelle fertigte. Damals war es noch üblich und möglich, irgendwelche Ideen umzusetzen und auf der Messe zu präsentieren um so den Kreis möglicher Interessenten zu erkunden. später dann ging das nicht mehr und es durften nur noch solche Gerätschaften ausgestellt werden, die bereits in Serie produziert oder aber mindestens ihre Serienreife unter Beweis gestellt hatten, beispielweise durch eine erfolgreiche Nullserie.

Die Geräte von Kraly können nach meiner Auffassung keine wirklichen Heimtonbandgeräte sein weil sie mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mit mindestens 38,1 cm/s Vorschub arbeiten; anders ist es nicht erkl?rbar, daß ein "annähernd linearer Frequenzgang bis 9 kHz" erreicht werden konnte. Es gab zu dieser Zeit bestenfalls C-Band. Auch der Westen hat m.W. 1948 noch nichts besseres gehabt.
Alleine aus dieser Erwägung würde ich diese Apparate als semiprofessionell klassifizieren - ein Begriff der erst Jahrzehnte später erfunden wurde - und dabei dürfen wir auch getrost davon ausgehen, daß diese Geräte mit VollspurKöpfen bestückt sind denn HalbspurKöpfe gab es 48 noch nicht! Zudem - man schaue sich den wilden Wickel an - hat Kraly offenbar probleme mit der Bandzugsteuerung gehabt und damit scheidet auch ein umdrehen des Wickels grundsätzlich aus. Die gut erkennbaren 20-er Mitteldorne nehmen AEG-Wickelkerne auf - Doppelflanschspulen waren 48 noch nicht erfunden - und der Kopfträger ist aller wahrscheinlichkeit austauschbar.

Das alles sind sowohl einzeln und erst recht zusammengenommen Merkmale, welche für AmateurGeräte vollkommen untypisch sind.

Zudem war ein solcher Preis alles andere als marktfähig.

überaus wertvoll ist die Aussage zu den geforderten Teilelieferungen als Voraussetzung für die Fertigung sio eines Apparates. Damit wird ein bezeichnendes Licht auf die hierzulanden extreme Mangelsituation im Jahre Drei nach dem Ende des Tausendjährige geworfen. Es sind gerade solche Offerten, welche mehr als jedes noch so fantastische Datenblatt, dabei helfen den spätgeborenen einen kleinen Einblick in die zeitgenössischen Widrigkeiten zu erhalten.

Danke Hajo, daß Du dieses interessante Dokument ausgegraben hast!


Autor: 19null5 Verfasst am: 06.06.2011, 19:13 Betreff:
Zu den Zulieferungen von Material als Teil der Bezahlung geht der Text in der FUNK-TECHNIK noch weiter:

An allen St?nden verlangte man bei Auftragsannahme Gegenlieferungen von Dynamoblech oder Nickel, von Pre?masse oder Trolitul oder gewisse knappe Ersatzteile wie Röhren usw.
...
Sicherlich bedeutet diese geforderte Materialhilfe für die meisten kleinen Handwerker, Einzelh?ndler und Grossisten eine harte Nu? und eine nicht geringe Verleitung zu weiteren "Kompensationen". Aber andererseits zeigte sie deutlich, in welcher ernsten Lage sich die deutsche Elektroindustrie befindet.


Hajo



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